Noch immer nicht alle Schüler für Fernunterricht ausgerüstet

Auch ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie gibt es in Österreich Schüler, die nicht für den Fernunterricht ausgestattet sind. Es gebe zwar keine konkreten Zahlen, sagt Diakonie-Vizedirektor Martin Schenk. Ein Rundruf in diversen Lerncafés, Sozialberatungsstellen und Brennpunktschulen zeige aber, dass noch immer nicht alle Schüler mit digitalen Geräten versorgt sind. „Das kommt dann und wann noch immer vor“, bestätigt auch der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG).

In der Corona-Pandemie würden sich die Versäumnisse der vergangenen Jahre in diesem Bereich besonders schmerzhaft bemerkbar machen, erklärt der Sprecher der ARGE Lehrer in der GÖD im APA-Gespräch. Noch immer baue der digitale Unterricht weitgehend auf der Eigeninitiative von Lehrern, Eltern und Schülern auf. „Hätten wir nur das Equipment und die Infrastruktur, die uns der Dienstgeber zur Verfügung stellt, würde das nicht funktionieren.“ Und so komme es eben noch immer da und dort vor, dass Eltern sich das Arbeitsmaterial für ihre Kinder nicht leisten können.

Diakonie-Sozialexperte Schenk berichtet etwa von einer alleinerziehenden Mutter, die sich mit ihren drei Kindern einen Rechner teilt. Die Aufgaben müssen diese deshalb am Handy erledigen. „Da kannst du aber die Aufgaben nicht so machen wie die anderen“, so Schenk. „Die Sorge ist deshalb, dass viele dieser Kinder einen totalen Lernrückstand aufbauen.“ Dabei seien Schüler aus Familien, in denen die Eltern nicht so gut beim Lernen helfen oder keine Nachhilfe zukaufen können, im österreichischen Schulsystem ohnehin schon benachteiligt.

Fälle, in denen es noch immer zu wenige Rechner für Eltern und alle Kinder gibt, kennt man auch bei der Österreichischen Plattform für Alleinerziehende (ÖPA). Während das Thema allerdings zu Beginn der Pandemie sehr wichtig gewesen sei, komme es nun eher am Rande vor, berichtet Jana Zuckerhut von der ÖPA.

Danijela Cicvaric von Romano Centro sieht ebenfalls deutliche Verbesserungen im Vergleich zum Frühjahr. Mittlerweile seien die Schüler, die von dem Roma-Verein betreut werden, in der Regel gut ausgestattet. Allerdings hätten dafür auch Familien, in denen die Eltern Mindestsicherung beziehen, selbst Geräte angeschafft. Und: „Viele haben den Unterricht über das Handy verfolgt“, sagt Cicvaric, das habe bei vielen auch gut funktioniert.

Dass trotz der vielen Wochen im Fernunterricht oder Schichtbetrieb seit vergangenem März noch nicht alle Kinder und Jugendlichen die benötigte digitale Ausstattung haben, hat laut Schenks Rückmeldungen vielfältige Gründe. Ein Faktor sei das Engagement der Schulleitung, diese muss nämlich bei der Bildungsdirektion den Bedarf an Geräten melden. Ein weiterer Flaschenhals sei bei den Bildungsdirektionen selbst, wo es mitunter sehr lange dauere, bis die angeforderten Geräte tatsächlich bei den Schülern ankommen. Dazu kämen lange Lieferzeiten durch Engpässe am Computermarkt.

Verschärft wird all das durch das bekannte Problem der sozialen Scham: Besonders Familien, die erst wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie Geldprobleme bekommen haben, würden den Bedarf eher nicht melden. Eine spezielle Gruppe sind laut Schenk außerdem Kinder mit Behinderung, die eine nicht-konfessionelle Privatschule besuchen und damit per Gesetz keinen Anspruch auf derartige Unterstützung haben. „Das ist ein Riesenproblem“, sagt der Sozialexperte. Immerhin würden Statutschulen mit ihren alternativpädagogischen Angeboten (etwa Montessorischulen) keineswegs nur von Kindern aus wohlhabenden Familien besucht.

Zumindest ab September erhofft sich Schenk eine Entlastung. Dann sollen Schüler der fünften und sechsten Schulstufe (1. und 2. Klasse Mittelschule, Sonderschule und AHS-Unterstufe) bzw. in den Folgejahren nur noch in der fünften Schulstufe Endgeräte wie Notebooks oder Tablets für 25 Prozent des Einkaufspreises bekommen. Für Familien mit wenig Geld ist das Angebot kostenlos.

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