Orbans Fidesz verlässt die EVP-Fraktion

Die Abgeordneten der ungarischen Fidesz-Partei verlassen die Fraktion der bürgerlichen Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament. Dies teilte der ungarische Ministerpräsident und Fidesz-Vorsitzende Viktor Orban am Mittwoch in einem Schreiben an EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) mit. Orban kommt damit einem möglichen Ausschluss zuvor, für den die Fraktion am Vormittag den Weg geebnet hatte.

Diese Regeländerungen seien ein „feindlicher Akt gegen Fidesz und unsere Wähler“, erklärte Orban. Die EVP-Fraktion versuche „unsere demokratisch gewählten Abgeordneten zum Schweigen zu bringen und zu behindern“. Dies sei „undemokratisch, ungerecht und inakzeptabel“. Aus der EVP-Fraktion treten zwölf Fidesz-Abgeordnete aus. Die EVP bleibt mit 175 von insgesamt 705 Abgeordneten dennoch größte Gruppierung im EU-Parlament.

Der Vizepräsident des EU-Parlaments und ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas betonte, dass die Abstimmung „eine Absage an den Erpressungsversuch von Viktor Orban“ sei. „Wir in der @EPPGroup lassen uns nicht vorschreiben, worüber wir abstimmen. Dieses Vorgehen Orbans reiht sich in eine Reihe verstörender Aussagen von FIDESZ-Politikern ein“, betonte Karas auf Twitter. Karas wollte umgehend einen Antrag auf Suspendierung von Fidesz einbringen.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe in der EVP, Daniel Caspary, sagte im Reuters-Interview: „Wir haben ein Zeichen gesetzt, dass wir nicht mehr akzeptieren, was läuft.“ Gleichwohl betonte er mit Blick auf Orban: „Die Hand bleibt ausgestreckt.“ Die Änderungen der Geschäftsordnung hätten nicht darauf abgezielt, Fidesz auszuschließen. Ziel sei lediglich eine Suspendierung gewesen.

Die Änderung der EVP-Geschäftsordnung sei mit 148 Stimmen zu 28 Gegenstimmen und beschlossen worden, hieß es. Mit Ausnahme von Karas stimmten die ÖVP-Abgeordneten im Europaparlament gegen die Reform, welche die Weichen für einen möglichen Ausschluss von Fidesz gestellt hätte. „Ich halte den Vorschlag für einen Schnellschuss, der ein einziges kurzfristiges Ziel verfolgt und nicht langfristige, nachhaltige Lösungen ermöglicht“, erklärte ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Aus der Zentrale der Österreichischen Volkspartei in Wien hieß es auf Anfrage gegenüber der APA in einer Stellungnahme: „Der Austritt der Fidesz-Abgeordneten aus der EVP-Fraktion ist bedauerlich. Insbesondere in Krisenzeiten braucht es eine starke und geeinte Europäische Volkspartei im Europäischen Parlament.“ Im Hinblick auf den Beschluss der neuen Geschäftsordnung gelte es klarzustellen, dass sich die ÖVP-Delegation „stets gegen Pauschalausschlüsse oder den kollektiven Ausschluss mehrerer Abgeordneter ausgesprochen“ habe.

Die Alternative für Deutschland (AfD) warb nach dem Austritt der ungarischen Regierungspartei Fidesz aus der Fraktion der Konservativen im Europaparlament um deren Abgeordnete. „Es ist offenkundig, dass Viktor Orbán und der Fidesz unserer Fraktion Identität und Demokratie (ID) inhaltlich viel näher sind als der EVP“, erklärte der EU-Abgeordnete und Ko-Parteivorsitzende Jörg Meuthen. „Orbán ist bei uns willkommen.“ Der ID-Fraktion gehören auch die drei FPÖ-Europaabgeordneten an.

FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky reagierte zurückhaltender. Auf die Frage, ob die Zukunft der Fidesz seine Fraktion Identität und Demokratie sein könnte, sagte Vilimsky mit Verweis auf andere EU-kritische Fraktionen gegenüber der APA, es gebe viele Möglichkeiten. „Die Gespräche werden zeigen, was sinnvoll ist.“ Vilimsky nannte den Fidesz-Austritt aus der EVP „begrüßenswert“. Er bedankte sich bei Karas und EVP-Fraktionschef Manfred Weber. Diese hätten „nicht nur die EVP kleiner gemacht, sondern auch noch die letzte konservative Kraft aus der Familie der Volkspartei vertrieben“. FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer zeigte Verständnis für den Austritt von Fidesz. Hofer plädierte dafür, dass Österreich die Kooperation mit den Ländern Mitteleuropas verstärke, um in der EU mehr Gewicht zu bekommen.

Der SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder kommentiere den Bruch mit den Worten: „Besser spät als nie, Orban und seine Fidesz-Partei haben eigentlich schon lange nichts mehr in einer proeuropäischen Fraktion zu suchen - denken wir nur an die ständige Hetze gegen Geflüchtete und Attacken gegen den liberalen Rechtsstaat.“ All dem habe die EVP jahrelang zugesehen und es „bis zuletzt nicht geschafft, Fidesz den Ausgang zu zeigen. Es ist Orbán selbst, der den Austritt seiner Fidesz-Abgeordneten aus der christdemokratischen Fraktion veranlasst. Er ist ein Gegner einer modernen und pluralistischen Gesellschaft und eines vereinten Europa, das muss jetzt endlich der gesamten EVP - und damit auch der österreichischen Volkspartei klar werden.“

Der grüne Europasprecher Michel Reimon gratulierte Karas, der sich innerhalb der EVP durchgesetzt habe. Es sei gut, dass Orban das EVP-Netzwerk künftig nicht mehr nutzen könne.

Die Europäischen Volkspartei, der auch die ÖVP angehört, bildet mit 187 Abgeordneten die größte Fraktion im Europaparlament. Dies würde sich auch ohne die zwölf Fidesz-Abgeordneten nicht ändern. Schon seit Jahren rang die EVP um ihren Umgang mit der Fidesz. In der EVP-Parteienfamilie ist die Mitgliedschaft von Fidesz bereits seit 2019 auf Eis gelegt. Hintergrund sind Attacken gegen EU-Spitzenpolitiker und mutmaßliche Verstöße gegen EU-Grundwerte.

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