Tiroler Bezirk Schwaz soll durchgeimpft werden
Der besonders stark von der südafrikanischen Coronavirus-Variante betroffene Tiroler Bezirk Schwaz soll mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer durchgeimpft werden. Dazu werden 100.000 Impfdosen des Herstellers aus dem EU-Kontingent vorgezogen, Start der Aktion ist nächste Woche. Mit dem Impfbeginn (geplant 11. März) kommt auch eine Testpflicht bei der Ausreise aus Schwaz. Die derzeit geltende Ausreisetestpflicht für ganz Nordtirol wird bis dahin verlängert.
Angeboten werden soll die Impfung jedem im Bezirk Schwaz Ansässigen ab dem 16. Lebensjahr. Das Projekt soll national und international von Wissenschaftern begleitet werden und neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit des Impfstoffes bei der Südafrika-Mutation bringen, gaben Bundesregierung und Tiroler Landesregierung am Mittwoch bekannt. Das Projekt kam in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission, dem Impfstoff-Hersteller, dem Bund sowie dem Land Tirol zustande. Die 100.000 Dosen werden nicht zusätzlich zur Verfügung gestellt, sondern aus dem EU-Kontingent vorgezogen und habe keine Auswirkungen auf die Lieferungen an die anderen Bundesländer, wie gegenüber der APA versichert wurde.
Geplant ist, den Bezirk quasi zur Forschungsregion zu machen, erklärten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und Landeshauptfrau-Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne). „Es ist unsere Chance, die Variante im Bezirk Schwaz so gut wie möglich auszulöschen“ bzw. gegen Null zu bringen, sagte Kurz in der per Livestream zusammengeschalteten gemeinsamen Pressekonferenz in Wien bzw. Innsbruck. Man könne jedenfalls davon ausgehen, dass Komplikationen, Krankenhaus-Aufenthalte sowie Todesfälle reduziert werden können, erklärte die Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium, Maria Paulke-Korinek.
Den Bezirk Schwaz wird man nach Beginn des Projektes für „maximal zwei Wochen“ nur mit negativem Test verlassen können, die Exekutive werde stichprobenartig kontrollieren, sagte Platter. Ein PCR-Test darf höchstens 72 Stunden alt sein, ein Antigen-Schnelltest maximal 48 Stunden. Bis dahin wird die derzeit aufrechte Ausreisetestpflicht für Tirol verlängert. Jeder, der aus Nordtirol ausreisen will, muss weiterhin einen negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 48 Stunden ist.
Kurz verwies auf die besondere Herausforderung bei der südafrikanische Variante: Viele Studien würden darauf hindeuten, „dass zumindest einer unserer Impfstoffe deutlich schlechter wirken dürfte“. Dies sei eine „große Gefahr für den Weg zurück in die Normalität“. Gleichzeitig betonte er, dass es durch die schon verhängten Maßnahmen gelungen sei, seit dem Höhepunkt des Ausbruches in Tirol von rund 200 aktiven Fällen auf unter 100 Fälle herunterzukommen.
Auch Gesundheitsminister Anschober verwies auf den Erfolg der Maßnahmen wie etwa durch das Contact Tracing. Die südafrikanische Variante habe schrittweise wieder abgenommen uns sei nun nur mehr bei 5,11 Prozent am gesamten Infektionsgeschehen. Wichtig sei, dass das Projekt nicht auf Kosten anderer Bundesländer gehe, betonte er. Er hoffe, dass die Schwazer Bevölkerung die „einmalige Chance“ nutzt. Dass der „Impf-Schutzschirm“ für den Bezirk erst jetzt kommt, verteidigten Anschober und Kurz: Dass man das unter allen EU-Mitgliedsstaaten durchgesetzt habe, sei „einzigartig“, betonte der Kanzler. Von einem „Lichtblick und Hoffnungsschimmer“ sprach Landeshauptmann-Stellvertreterin Felipe, auch sie appellierte an die Bevölkerung, das Angebot anzunehmen.
In Tirol löste die Ankündigung großteils positive Reaktionen aus. Sowohl die Grünen, als auch die AK sahen ihre Forderungen nach einem Impf-Schutzschirm umgesetzt. Grüne und ÖVP riefen die Schwazer Bevölkerung zur Teilnahme an der Impfaktion auf. Kritik kam von der FPÖ.
Mit dem „Impf-Schutzschirm“ könne die Ausbreitung der Mutation verhindert werden, „weshalb die Teilnahme im Interesse aller SchwazerInnen und von ganz Tirol ist“, sagte der Tiroler Klubobmann Gebi Mair. Auch der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Hermann Gahr aus der Gemeinde Terfens im Bezirk Schwaz begrüßte die Pläne. Er versicherte, dass die Impfungen im Bezirk Schwaz keinen Einfluss auf den Impfplan für die übrigen Tiroler Bezirke haben wird. Auch der Tiroler Wirtschaftsbundchef und Seilbahn-Obmann Franz Hörl sowie Wirtschaftsbundbezirksobmann Alois Rainer begrüßten die geplante Impf-Aktion. Von einem „richtigen Schritt“ sprach auch Tirols AK-Präsident Erwin Zangerl.
Als „wenig durchdacht“ bezeichnete die „Massenimpfungen“ hingegen FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger. „Die Corona-Chaos-Politik der ÖVP und Grünen geht weiter, denn Mutationen lassen sich auch nicht mit Massenimpfungen ausmerzen“, meinte er. Die Verlängerung der Ausreisetests bezeichnete der FPÖ-Chef mit Blick auf die vergleichsweise niedrigen Gesamt-Zahlen in Tirol als eine „Brüskierung der Tiroler Bevölkerung“.
Auf Bundesebene zeigte sich NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker von den Plänen „höchst irritiert“: „Die Bundesregierung und das Land Tirol verkaufen eine ‚Studie‘ in Schwaz als Erleichterung und Verhandlungserfolg. Dabei haben das katastrophale Impf-Management der Regierung und die wochenlangen ziellosen Maßnahmen, speziell im Land Tirol, diese Initiative der EU-Kommission erst nötig gemacht.“
Erleichterungen erhoffen sich Kurz und Platter durch die Impf-Kampagne auch in Hinblick auf von Deutschland verhängten Grenzkontrollen. Platter meinte, dass man durch die getroffenen Maßnahmen Deutschland davon überzeugen könne, „von den Grenzkontrollen Abstand zu nehmen“. Deutschland hatte erst am heutigen Mittwoch verkündet, dass die stationären Grenzkontrollen an der Grenze zu Tirol und Tschechien bis zum 17. März verlängert werden.