HPV-Infektionen zum Welt-HPV-Tag „als Pandemie betrachten“
Rund 80 Prozent der Menschen machen in ihrem Leben mindestens eine HPV-Infektion (Humane Papillomviren) durch. „Man könnte es eigentlich als Pandemie betrachten“, sagte der Mediziner Elmar Joura von der MedUni Wien bei einem Hintergrundgespräch zum Welt-HPV-Tag am Donnerstag. Das Virus kann bei Frauen und Männern Krebs auslösen, was aber durch eine Impfung vermeidbar ist. Beim Impfen können wir „noch besser werden“, betonte Jugend- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP).
Genaue Zahlen zur Durchimpfungsrate in Österreich gibt es nicht. Die Werte liegen bei rund 40 bis 50 Prozent, aber das auch nur „in der Zielgruppe für die Schulimpfung“, wo die Immunisierung für Neun- bis Elfjährige kostenlos angeboten wird, wie Joura erläuterte. „Hier wäre sehr viel Luft, dass man hier aufholt“, sagte der HPV-Impfexperte. Dabei habe Österreich bei der Erfindung des Prinzips und der Wirkstoffentwicklung Pionierarbeit geleistet und als erstes Land in Europa die Impfung auch für Buben empfohlen. Eine zusätzliche Chance sei sicher der E-Impfpass.
Die Impfung ist gegen sechs Krebsarten wirksam, betonte Joura. Darunter sind drei gynäkologische, vor allem das Gebärmutterhals-Karzinom, aber auch das Anal- und Rachen-Karzinom, das beide Geschlechter betrifft, und das Penis-Karzinom. Der Mediziner plädiert für eine Impfung im Rahmen des kostenlosen Kinderimpfprogramms, aber auch danach noch ohne Altersgrenze. Frauen ab 30 Jahren sollten sich zudem auf HPV testen lassen. Bei einem positiven Ergebnis auf die HPV-Stämme 16 oder 18 werde eine Kolposkopie des Gebärmutterhalses mit einer Biopsie gemacht, dann sei nämlich ein „extrem hoher Risikofaktor“ für eine spätere Krebserkrankung identifiziert.
„Impfen ist derzeit in aller Munde, aber nicht alle Impfungen“, sagte Raab. Corona habe dazu geführt, dass gewisse Vorsorgemaßnahmen ins Hintertreffen geraten sind. Die HPV-Impfung ist nicht nur für Mädchen, sondern auch für Burschen wichtig, betonte die Ministerin. Sie wolle mit der Schulöffnung verstärkt darauf aufmerksam machen und stehe auch in engem Kontakt mit dem Bildungsministerium. Auch eine künftige Bewusstseinsbildung über den Mutter-Kind-Pass sei eine Möglichkeit.
Zahlenmäßig sei die sexuelle Übertragbarkeit von HPV am wichtigsten, sagte Joura. Daher befürwortete er ein rechtzeitiges Impfen vor Beginn der sexuellen Aktivität und weil die Immunantwort bei einer frühen Impfung stärker ausfalle. Eine Ansteckung sei aber bei „jedem engen Kontakt“ möglich, auch bei der Geburt gibt es viele Übertragungen. Der Experte betonte daher vorrangig die Verhinderung von Krebserkrankungen, nicht die sexuelle Übertragbarkeit. Im Westen Österreichs habe es am Anfang der Impfkampagne durch Wertkonservatismus sogar Widerstände gegeben, das habe sich aber mit der Zeit ausgeglichen.
Die Situation der Infrastruktur und eines einfachen Zugangs zur Impfung sei in Österreich unterschiedlich, sprach auch Ina Herzer, Österreich-CEO des Impfstoff-Entwicklers MSD (Merck Sharp & Dohme), von Unterschieden in den Bundesländern. Sie richtete den Wunsch an Raab, dass dies vereinheitlicht werde. Außerdem solle erhoben werden, welche Impflücken entstanden sind und „wie können wir die schließen“, forderte Herzer. Raab sprach von einem föderalistischen System im Gesundheitsbereich. Sie werde sich aber „vonseiten des Bundes dafür einsetzen, dass sich die Durchimpfungsrate erhöht“.
Es ist finanziell jedenfalls ratsam, die kostenlose Impfung im Kinder-Impfprogramm bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr in Anspruch zu nehmen. Kürzlich wurde die Frist der kostenreduzierten HPV-Nachholimpfungen wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr bis zum 16. Lebensjahr verlängert. Hier sind noch rund 60 bis 70 Euro pro Teilimpfung - insgesamt drei - zu zahlen, wie Herzer erläuterte. Danach müssen die Kosten von etwa 200 bis 215 Euro je Teilimpfung komplett privat gezahlt werden.