Kurz spricht in Israel über Corona-Impfstoffproduktion
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) reist am heutigen Donnerstag nach Israel. Die eintägige Visite bei Premier Benjamin Netanyahu gemeinsam mit seiner dänischen Amtskollegin Mette Frederiksen steht im Zeichen der Corona-Impfstoffe. Es soll vor allem um eine Kooperation bei der Erforschung und Herstellung von Vakzinen gehen.
Im Rahmen des Besuchs wird Kurz zunächst der „Grüne Pass“ vorgeführt, ein elektronischer Impfpass in Form einer Handy-App, der die Immunisierung gegen Covid-19 erfasst. Im Anschluss ist ein Sechs-Augen-Gespräch mit Netanyahu und Frederiksen geplant. Die Pressekonferenz der drei soll um 17.00 Uhr Ortszeit (16.00 Uhr MEZ) stattfinden.
Kurz begründet das Streben nach einer Impfstoffkooperation damit, dass die von der Europäischen Union getätigten Bestellungen nicht so schnell wie erwartet liefen. Ziel müsse es sein, sich auf die Phase nach dem Sommer vorzubereiten und angesichts von Coronavirus-Mutationen „bestehende Impfstoffe und Therapien möglichst schnell anzupassen oder neue schnell zu produzieren und dies möglichst eigenständig“, sagte er im Vorfeld.
Die Initiative wurde weithin als Kritik an der EU verstanden. Kurz stellte am Mittwoch klar, dass die Allianz mit Israel und Dänemark nicht als Abkehr von der EU zu verstehen sei. „Es ist definitiv kein Verlassen des europäischen Weges“, betonte er in einer Pressekonferenz in Wien.
Einem Bericht der „Financial Times“ (FT) vom Montag zufolge sind Österreich, Dänemark und Israel bereits im Dialog mit den Vakzin-Herstellern Pfizer und Moderna im Bezug auf den Aufbau einer eigenen Produktion. Die FT berichtete unter Berufung auf einen anonymen Mitarbeiter des Kanzleramts außerdem, Österreich habe einen potenziellen Standort für eine derartige Impfstofffabrik bereits ausfindig gemacht.
Am Dienstag traf der Kanzler im Vorfeld seiner Israel-Reise gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Bildungsminister Heinz Faßmann (alle ÖVP) mit Vertretern von rund zwanzig Pharmaunternehmen mit Standorten in Österreich (darunter Pfizer, Novartis, Polymun oder Boehringer Ingelheim) sowie führenden Wissenschaftern und Medizinern zusammen.
Kurz fliege Monate zu spät nach Israel, kritisierte unterdessen FPÖ-Chef Norbert Hofer am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Reise sei ein „Eingestehen des Fehlers“, dass man sich bei der Impfstoffbeschaffung auf die EU und das Personal von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) verlassen habe, meinte Hofer. „Am Abend wird der Faule fleißig.“ Wenn man etwa selbst einen Impfstoff herstellen wolle, sei das ein erster Schritt, der aber „viel zu spät“ komme.
Kritik kam auch aus Frankreich. Die Impfstoffbeschaffung müsse weiterhin „im europäischen Rahmen“ erfolgen, sagte eine Sprecherin des französischen Außenministeriums am Mittwochabend in Paris laut Nachrichtenagentur AFP. „Das garantiert die Solidarität zwischen Mitgliedstaaten, die mehr denn je nötig ist, und unsere kollektive Schlagkraft“, betonte sie.
Israel hat bereits einen elektronischen Pass eingeführt, der eine Immunisierung gegen Covid-19 bestätigt. Beim EU-Gipfel vergangene Woche hatte es bezüglich eines sogenannten „Grünen Passes“ auch innerhalb der Europäischen Union eine Einigung gegeben. Dieses Projekt wird von der österreichischen Bundesregierung stark befürwortet. Am Montag hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mitgeteilt, dass die Kommission bis 17. März einen Entwurf für den „Grünen Pass“ vorlegen wird.
Entgegen der eher langsam anlaufenden Impfkampagne in der Europäischen Union gilt Israel mittlerweile als „Impfweltmeister“: Bereits mehr als die Hälfte der erwachsenen Israelis sind mindestens einmal geimpft. In Israel finden zudem am 23. März erneut Wahlen statt - bereits zum vierten Mal innerhalb von nur zwei Jahren. Netanyahu hofft nach dem Zerbrechen seiner Koalition mit seinem Herausforderer Benny Gantz nach nur wenigen Monaten auf eine Stärkung seiner Likud-Partei an der Wahlurne. Gleichzeitig strebt der Premier danach, in einem derzeit laufenden Korruptionsverfahren nicht verurteilt zu werden.