Anschober: Düstere Corona-Prognose nicht Eintreten lassen

Die aktuellen Daten des „Covid-Prognose-Konsortiums“, die in der nächsten Woche (10. März) eine österreichweite Sieben-Tages-Inzidenz von 228 vorhersehen, stimmen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) „alarmiert“. Die Situation, mit der fast bundesweit dominanten, ansteckenderen britischen Variante (B.1.1.7) und den entsprechend steigenden Fallzahlen erinnere ihn an den vergangenen Herbst. Ob die möglichen Öffnungsschritte gesetzt werden, evaluiere man bis 15. März.

Vor allem B.1.1.7 müsse als „Pandemie in der Pandemie“ betrachtet werden, so Anschober am Donnerstag in einer Online-Pressekonferenz. Während man mit den bisherigen Eindämmungsmaßnahmen die Ausbreitung des „Wildtyps“ im Griff habe, sei das bei B.1.1.7 anders, so der Geschäftsführer Gesundheit Österreich GmbH, Herwig Ostermann. Die aktuellen Daten weisen darauf hin, dass sich die effektive Reproduktionszahl (R) beim Wildtyp unter dem neuralgischen Wert von eins hält. Man könne die ursprüngliche Variante also gut unter Kontrolle halten. Bei der britischen SARS-CoV-2-Variante liege dieser Wert in Österreichschnitt um 23 Prozent höher. Demnach steckt im Durchschnitt ein nachweislich mit B.1.1.7-Infizierter mehr als eine zusätzliche Person an, sagte Ostermann.

Entgegen mancher Vermutungen sei der aktuelle Fallzahlenanstieg nicht den zuletzt deutlich ausgebauten Testkapazitäten geschuldet: Man habe es mit einem „tatsächlichen Anstieg“ des Infektionsgeschehens zu tun, der auch auf die Krankenhäuser durchzuschlagen drohe. Bis zum 17. März prognostiziert das aus Forschern vom Complexity Science Hub Vienna, der Medizinischen Universität Wien, der Technischen Universität Wien, dem Team um Niki Poppers Firma dwh und anderen Institutionen bestehende „Covid-Prognose-Konsortium“, dass sich rund 1.500 Personen mit Covid-19 in Normalpflege befinden werden. Bis Mitte des Monats seien demnach auch rund 420 Personen in Intensivbehandlung zu erwarten (derzeit knapp über 300, Anm.). Es gelte daher „möglichst rasch eine entsprechende Trendumkehr zu schaffen“, betonte Ostermann.

Der Gesundheitsminister warnte angesichts dieser Zahlen vor einer „Wiederholung des Herbstes“. Die heute verzeichneten 2.324 Neuinfektion seien „sehr viel“ - ebenso die zuletzt fast konstanten Zuwächse um über 2.000 Infektionen täglich, so Anschober. Am 10. März würde man laut der Prognose bei 3.200 zusätzlichen Fällen pro Tag landen.

„Das Ruder zeigt leider in falsche Richtung“, so der Minister. Gelinge es nicht, die Zahlen zu senken oder zumindest zu stabilisieren „droht eine dramatische Situation“. Die Frage, ob man unter derartigen Umständen die am Montag in Aussicht gestellten Öffnungsschritte im Laufe des Monats tatsächlich gehen könne, ließ Anschober offen. Am 15. März werde evaluiert.

Bis dahin müsse man „alles daran setzen, dass sich der vergangene November nicht wiederholt“. Die Voraussetzungen dafür seien nicht zuletzt durch die kommenden wärmeren Temperaturen und die Impfungen, bei denen man jetzt mehr Tempo machen könne, dieser Tage jedoch deutlich besser als noch im Herbst.

Bisher wurden laut Anschober österreichweit 730.000 Impfungen durchgeführt, was 6,4 Prozent der Bevölkerung über 16 Jahren entspreche, die bereits eine Dosis bekommen hat. Vollimmunisiert seien bisher 3,2 Prozent der „impfbaren Bevölkerung“, sagte der Gesundheitsminister. Nach Ostern sollten insgesamt hierzulande rund zwei Millionen Dosen verimpft sein. Dies wäre dann „schon ein großer Fortschritt“. Bis dahin prognostizierte der Minister aber einmal mehr „schwierige Wochen“, die der von der Krise „erschöpften Gesellschaft“ bevorstünden.

Um die düsteren Zuwachsprognosen abzufedern, habe man auch am Mittwochabend eine Gesetzesnovelle in Begutachtung geschickt, die „zusätzliche Handlungsmöglichkeiten“ eröffne. Demnach könnten u.a. dann Lehrer, Kindergartenpädagogen und Beamte im Parteienverkehr Covid-19-Testungen nicht mehr umgehen, indem sie im Dienst FFP2-Masken tragen. Viel erhofft sich Anschober auch durch ein „Sicherungsnetz“, um die Entwicklung in Bezirken einzufangen, in denen die Sieben-Tages-Inzidenz über 400 liegt. Hier soll weiter das „sehr erfolgreiche Modell“ der Ausreisetestungen, entweder auf Bezirksebene bzw. für einzelne Gemeinden angewendet werden. Zudem setze man auf Schwerpunktkontrollen in allen Bundesländern etwa in Gemeinden mit hohen Zahlen.

Außerdem wolle man die FFP2-Masken-Pflicht und die Kontaktnachverfolgung verstärken, von Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeitern ein verpflichtendes Präventionskonzept mit dem Schwerpunkt auf Gemeinschaftsräume verlangen oder die bereits sehr breit angewendeten Testungen - in dieser Wochen sind es ungefähr 1,3 Millionen - ausbauen. Anschober: „Da geht noch deutlich mehr“, nämlich rund drei Millionen pro Woche. All das werde in der kommenden Woche fixiert. Nicht zuletzt appellierte der Gesundheitsminister an die Eigenverantwortung der Bevölkerung, die Hygienemaßnahmen einzuhalten.

„Wir brauchen alles, was wir haben“, um die aktuellen Zahlen zu drücken, konstatierte die Leiterin des Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien, Monika Redlberger-Fritz: „Eine der wichtigsten Waffen sind eigentlich wir selbst.“ Jetzt in Hinterhöfen Partys zu feiern sei „das schlechteste, was man tun kann“, sagte die Wissenschafterin, die ebenfalls auf den Durchmarsch der infektiöseren britischen Variante hinwies.

Diese werde „nicht die letzte Variante sein“ und dementsprechend die Pandemie nicht so schnell beendet. Klar sei, je höher die Gesamtzahlen, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Varianten auftreten. Die gute Nachricht sei, dass beispielsweise Daten aus Großbritannien stark darauf hinweisen, dass sowohl der Impfstoff von Pfizer und Biontech als auch jener von AstraZeneca die Anzahl der schweren Verläufe und der Hospitalisierungen um rund 80 Prozent reduzieren, sagte Redlberger-Fritz. Es sehe sehr danach aus, dass die Impfungen auch eine gute Wirkung gegen Varianten haben.

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