Ruf nach Köpferollen im Masken-Skandal
Im Skandal um mutmaßlich nicht österreichische FFP2-Masken des Herstellers „Hygiene Austria“ wird der Ruf nach Konsequenzen lauter. Zwar sah Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag keine politischen Verfehlungen, die Opposition urteilte aber ganz anders. Dubios ist für SPÖ und NEOS etwa, warum das Unternehmen bei der Maskenbeschaffung für Senioren in die engere Wahl gezogen wurde. Die FPÖ verlangte Neuwahlen.
Kurz, der selbst einen Betriebsbesuch bei dem Joint-Venture von Lenzing und Palmers absolviert hatte, sagte auf Journalistenfragen, ob auch er hinters Licht geführt worden sei: „Wenn es hier Betrug gibt, dann sind wir alle betrogen worden.“ Hygiene Austria habe große private Kunden wie die Supermärkte in Österreich beliefert. Auch die Bundesbeschaffungsagentur habe bei der Firma eingekauft, das Bundeskanzleramt selbst aber nicht. Kurz sagte, er sehe daher keine Verantwortlichkeit der Politik, verlangte aber „volle Aufklärung“.
Die Ermittlungen führt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die Kurz und die ÖVP in den vergangenen Wochen wegen der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) massiv angegriffen hatten. Eine politische Dimension hat die Causa durch die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Firma ein Verwandter der Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist.
SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sah nach jüngsten Medienberichten „eine Reihe von fragwürdigen Vorgänge“ rund um Hygiene Austria. Warum sei das Unternehmen für die FFP2-Maskenlieferung für Senioren trotz höherem Preises überhaupt in Betracht gezogen worden, fragte er in einer Aussendung. Wissen wollte er auch, ob es den Versuch der Bevorzugung von Hygiene Austria durch die Bundesregierung bei der Auftragsvergabe gab und ob ein Zusammenhang mit der persönlichen Beziehung zwischen Firmenführung und Umfeld des Kanzlers bestehe.
Leichtfried bezog sich dabei auf einen Bericht des „profil“ (online), wonach das Projekt „65+“ im November im Ministerrat besprochen worden war, der entsprechende Ministerratsvortrag aber nicht veröffentlicht wurde. Bei den Gesprächen im Vorfeld sei dazu als einziger österreichischer Anbieter die Hygiene Austria mit am (virtuellen) Tisch gesessen.
Zwar wäre laut „profil“ im Ministerrat dann selbst keine Festlegung auf die Provenienz der FFP2-Masken getroffen worden - laut einem Schreiben einer Spitzenbeamtin an die Kabinettschefin von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wäre jedoch „am Rand deutlich kommuniziert“ worden, dass „die Bundesregierung in diesem Vorhaben gerne österreichische Firmen/Produkte beschaffen würde“. Im Endeffekt kam dann aber wegen des deutlichen Preisunterschieds doch nicht die Hygiene Austria zum Zug, sondern ein österreichischer Händler mit CE-zertifizierter Ware aus China.
Die SPÖ und auch die NEOS wollen nächste Woche im „kleinen Untersuchungsausschuss“ zur Beschaffungspolitik in der Corona-Pandemie auch die Causa Hygiene Austria thematisieren. NEOS-Klubchefvize Nikolaus Scherak ortete bei einer Pressekonferenz ein „umfassendes Transparenzproblem“.
Für die FPÖ ist der Skandal ein Grund für einen politischen Wechsel. Parteichef Norbert Hofer bezeichnete in einer Aussendung eine Neuwahl des Nationalrats „überfällig“, denn: „Die österreichische Bundesregierung trägt eine Mitverantwortung.“ Die Causa rund um Hygiene Austria scheine zudem ein „groß angelegter Betrug auf dem Rücken der Steuerzahler“ zu sein.
Bekannt wurde am Freitag, dass das Parlament 23.000 Stück Hygiene-Austria-Masken um rund 32.000 Euro bezogen hat. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) beauftragte die Parlamentsdirektion mit einer rechtlichen Prüfung aller Ansprüche, die gegenüber dem Hersteller geltend gemacht werden könnten, hieß es.