Papst fordert von Iraks Führung Schutz aller Religionen

Mit einem historischen Besuch im Irak hat Papst Franziskus langjährige Hoffnungen der leidgeprüften Christen des Landes erfüllt. Zum Auftakt seiner viertägigen Reise rief der 84-Jährige Iraks Führung am Freitag auf, allen religiösen Gruppen Rechte und Schutz zu gewähren. Es ist der erste Besuch eines Oberhaupts der katholischen Kirche im Irak. Im Vorfeld hatte es auch Kritik gegeben, weil der Papst das Land inmitten der Corona-Pandemie bereist.

Bei einem Besuch der syrisch-katholische Sayidat al-Nejat-Kathedrale (Unserer Lieben Frau der Erlösung) in Bagdad rief der Papst die irakischen Priester und Bischöfe dazu auf, sich trotz aller Schwierigkeiten nicht vom „Virus der Mutlosigkeit“ anstecken zu lassen. Die katholische Gemeinschaft des Irak könne „wie ein Senfkorn“ den Lauf des Krisenlandes bereichern, sagte Franziskus. Bei einem islamistischen Terroranschlag auf das Gotteshaus waren im Jahr 2010 insgesamt 48 Christen ums Leben gekommen. Für die Getöteten wurde ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet. Sie hätten den „äußersten Preis für ihre Treue zum Herrn“ gezahlt, sagte der Papst in seiner ins Arabische gedolmetschten Rede vor Klerikern, Ordensleuten und Katecheten.

Zuvor erklärte Franziskus bei einem Empfang mit Staatschef Barham Salih im Präsidentenpalast, es sei von entscheidender Notwendigkeit, alle politischen, sozialen und religiösen Gruppen zu beteiligen und die Grundrechte aller Bürger zu garantieren. „Niemand darf als Bürger zweiter Klasse angesehen werden“, erklärte er. Zugleich forderte eine Ende der Gewalt. „Die Waffen sollen schweigen“, rief er. Blick auf die Corona-Pandemie mahnte er, diese Krise sei vor allem ein Aufruf, „unsere Lebensstile, den Sinn unserer Existenz zu überdenken“.

Franziskus war nach der Landung am Flughafen von Regierungschef Mustafa al-Kasimi empfangen sowie mit Musik und traditionellen irakischen Tänzen begrüßt worden. Kirchen des Landes ließen zu Ankunft ihre Glocken läuten. Außerhalb des Flughafens versammelten sich Gläubige und schwenkten Fahnen des Irak. Viele Menschen standen trotz der Corona-Pandemie dicht gedrängt.

Der Besuch wird begleitet von scharfen Sicherheitsmaßnahmen. So wurden in Bagdad zahlreiche zusätzliche Kontrollpunkte errichtet. Wegen einer dreitägigen vollständigen Ausgangssperre waren die Straßen der Hauptstadt am Freitag weitestgehend menschenleer.

Die immer wieder verfolgte christliche Gemeinde in dem überwiegend muslimischen Land ist in den vergangenen Jahrzehnten stark geschrumpft. Vor allem in den von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) kontrollierten Gebieten litten die Christen und andere religiöse Minderheiten. Einst lebten mehr als eine Millionen Christen im Irak. Heute sind es nach Schätzungen noch 250.000 bis 400.000.

In den letzten Jahrzehnten habe der Irak „unter den Katastrophen der Kriege, der Geißel des Terrorismus und konfessionellen Konflikten gelitten“, sagte Franziskus. „All das hat zu Tod, Zerstörung und Trümmern geführt, die immer noch sichtbar sind.“ Besonders seien die Yeziden zu nennen. Die religiöse Minderheit war vor allem von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) massiv verfolgt worden.

Staatschef Salih sagte, die Reise sei Beweis für die Sorge des Papstes um das Land. „Ihre Anwesenheit erfüllt die Iraker mit Stolz.“ Christen in der Region hätten viel Leid erfahren und Krisen erlebt, die sie zur Auswanderung gezwungen haben, erklärte er weiter. Ohne Christen sei die Region aber nicht vorstellbar. Ein Erfolg werde sich erst dann einstellen, wenn eine Rückwanderung ohne Zwang beginne.

Auch der sunnitische Großimam Ahmad al-Tayyeb würdigte den Besuch. „Die historische Reise meines Bruders @Pontifex in den Irak sendet eine Botschaft von Frieden, Solidarität und Unterstützung für alle Iraker“, schrieb der Großimam der al-Azhar-Moschee und -Universität in Kairo, der als eine der höchsten Lehrautoritäten im sunnitischen Islam gilt, laut „Vatican News“ am Freitag auf seinem Twitter-Account. Er bete zu Allah um Erfolg für den Besuch von Franziskus „und dass seine Reise das gewünschte Ergebnis haben wird, auf dem Pfad der menschlichen Geschwisterlichkeit weiterzugehen“, so der Großimam.

Im Mittelpunkt der Reise steht für den Papst der interreligiöse Dialog. Er will bis Montag unterschiedliche Landesteile bereisen. Gespannt blicken viele auf das Treffen am Samstag mit dem wichtigsten schiitischen Geistlichen des Landes, Großayatollah Ali al-Sistani. Am Sonntag reist er zu Gemeinden in die nordirakischen Städte Mossul und Karakosh.

Franziskus besucht den Irak in einer Zeit, in der sich die Corona-Pandemie wieder verschlimmert. In dieser Woche war die Zahl der täglichen Neuinfektionen weiter gestiegen. Der Irak gehört zu den Länder der Region, die am stärkten von der Pandemie getroffen werden. Auch die Sicherheitslage hatte sich zuletzt wieder verschärft.

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