Papst-Reise im Irak mit interreligiösen Treffen fortgesetzt

Der zweite Tag auf der Irak-Reise von Papst Franziskus hat den religiösen Höhepunkt seines Besuchs markiert. Am Samstag traf Franziskus den höchsten schiitischen Geistlichen im Irak, Großayatollah Ali al-Sistani. Der Papst dankte dem 90-Jährigen dafür, dass er sich für die Verfolgten einsetze. Al-Sistani will darauf achten, dass Christen im Irak „in Frieden und Sicherheit leben“ könnten. Zudem warb der Papst für die Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften.

Das Treffen fand hinter verschlossenen Türen in Najaf im Südirak statt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche habe dabei dem 90-Jährigen für dessen stabilisierende Rolle in den vergangenen Jahren gedankt, wie der Vatikan mitteilte. Angesichts von Gewalt und Schwierigkeiten habe der muslimische Geistliche „seine Stimme zur Verteidigung der Schwächsten und Verfolgten erhoben“, sagte Vatikansprecher Matteo Bruni nach Angaben von Kathpress. Darum sei al-Sistani ein wichtiger Faktor für die Einheit des irakischen Volkes.

Wie Vatican News mitteilte, sei es eine Gelegenheit für den Papst gewesen, dem Großayatollah zu danken, weil der muslimische Religionsführer zusammen mit der schiitischen Gemeinschaft auch die Heiligkeit des menschlichen Lebens und die Bedeutung der Einheit des irakischen Volkes bekräftigt habe. Bei der Verabschiedung wiederholte der Papst sein Gebet zu Gott für eine Zukunft des Friedens und der Geschwisterlichkeit für das Land Irak, für den Nahen Osten und für die ganze Welt.

Das Büro des 90-jährigen al-Sistani, der sich nie in der Öffentlichkeit zeigt, veröffentlichte im Anschluss an das Treffen ein Foto der Begegnung sowie eine Erklärung, in der der Großayatollah dem Papst für seinen Besuch in Najaf dankt. Zugleich versicherte der Schiitenführer, persönlich darauf zu achten, „dass die christlichen Bürger wie alle Iraker in Frieden und Sicherheit leben, mit all ihren verfassungsmäßigen Rechten“.

Eine gemeinsame Erklärung unterzeichneten der Papst und der Großayatollah jedoch nicht. Es wäre ein Erfolg für Franziskus‘ Reise gewesen. Der Papst hatte im Jahr 2019 bei seinem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein gemeinsames Dokument mit dem Großimam Ägyptens und hohen religiösen Vertreter des sunnitischen Islams, Ahmad al-Tayyib, unterschrieben. Es trug den Titel „Die Brüderlichkeit aller Menschen - Für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“.

Najaf, rund 150 Kilometer südlich der Hauptstadt Bagdad, ist ein wichtiges Zentrum des schiitischen Islam. Hier steht unter anderem die Imam-Ali-Moschee, wo der 661 getötete Schwiegersohn des Propheten Mohammed, Ali, begraben sein soll. Auf ihn geht der schiitische Islam zurück, neben dem sunnitische Islam die zweite große Strömung der Weltreligion. Die Schiiten stellen im Irak die Mehrheit.

Nach dem Gespräch mit al-Sistani bekräftigte der Papst laut Kathpress bei einem interreligiösen Treffen in der Stadt Ur seine Botschaft von Dialog und Geschwisterlichkeit aller Menschen. Das Land, das vor genau 100 Jahren ohne Rücksicht auf ethnische und religiöse Grenzen als Nationalstaat entstand, droht bis heute immer wieder entlang der alten Bruchlinien zu zerbrechen. Franziskus warb in Ur, einem zentralen Ort für die irakische Identität, für eine Mitgestaltung der Religionen in der Gesellschaft.

In der antiken sumerischen Stadt, die nach biblischem Zeugnis die Heimat Abrahams ist, leitete er ein interreligiöses Treffen. Juden, Christen und Muslime beziehen sich auf Abraham als gemeinsamen Stammvater. Vor den Ruinen Urs und dem 4.000 Jahre alten Stufentempel in der Wüste des Südirak beschwor er Vertreter aller Glaubensgemeinschaften, jeglichem Hass entgegenzutreten.

Als Grundlage dafür verweist der Papst auf die gemeinsame Gotteskindschaft aller Menschen; Religionen betrachtet er als Wegbereiter der Verständigung: „Wir dienen Gott, um aus der Sklaverei des Ichs herauszukommen“, sagte er. „Vom Haus unseres Vaters Abraham aus bekräftigen wir: Gott ist barmherzig, und die größte Beleidigung und Lästerung ist es, seinen Namen zu entweihen, indem man den Bruder oder die Schwester hasst.“ Feindseligkeit, Extremismus und Gewalt seien „Verrat an der Religion“, erklärte Franziskus. „Wir Gläubigen dürfen nicht schweigen, wenn der Terrorismus die Religion missbraucht.“

In der von Konflikten zerrissenen Region mahnte der Papst, es werde keinen Frieden geben „ohne Völker, die anderen Völkern die Hand reichen“. Ohne das Ringen des Iran und arabischer Staaten um die Vorherrschaft im Mittleren Osten als Beispiel zu nennen, warnte er, Bündnisse gegeneinander verstärkten nur die Spaltung. „Frieden erfordert weder Sieger noch Besiegte, sondern Brüder und Schwestern, die trotz der Missverständnisse und Wunden der Vergangenheit den Weg vom Konflikt zur Einheit gehen.“

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