ÖVP will mehr Finanzkompetenz für Frauen, Grüne faire Löhne
Unterschiedlich sind die Ansätze der Regierungsparteien auch in der Frauenpolitik: ÖVP-Frauenministerin Susanne Raab gab anlässlich des Weltfrauentages morgen, Montag, bekannt, dass sie spezielle Förderungen im Umfang von 1,3 Mio. Euro plant, um Frauen für besser bezahlte MINT-Berufe zu begeistern und ihre Finanzkompetenz zu erhöhen. Die Grüne Frauenchefin Meri Disoski sieht verpflichtende Einkommenstransparenz für Unternehmen als wichtigste Maßnahmen gegen die Lohnschere.
Als weitere Schwerpunkte - neben der Förderung der Finanzkompetenz - nannte Frauenministerin Raab im APA-Interview den Gewaltschutz und spezifische Arbeitsmarktförderungen für Frauen, um diese aus der massiv gestiegenen coronabedingten Arbeitslosigkeit zu holen. „Die Mehrfachbelastung für die Frauen in der Coronakrise war enorm, die Frauen haben Übermenschliches geleistet“, konstatierte sie. Nun müsse man aufpassen, dass das Zurückdrängen der Frauen in den häuslichen Bereich während der Lockdowns nicht zu verfestigten Strukturen führe. „Ich glaube nicht, dass Frauen sich nachhaltig zurückdrängen lassen, aber es braucht Unterstützung durch die Politik.“
Mit Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) habe sie evaluiert, wo Frauen am Arbeitsmarkt Hilfe brauchen und „überproportionale Unterstützung“ für Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarkts sichergestellt. Unterstützt würden Frauen aber auch damit, dass die Schulen offen bleiben. Darüber hinaus habe die Regierung die Coronahilfen im Familien- und Sozialbereich erhöht. Der Familienhärtefonds wurde um 50 Mio. Euro aufgestockt und bis Juni verlängert, 100 Mio. Euro fließen in Sonderauszahlungen der Familienbeihilfe. Finanziell angeschlagene Familien können bis zu 3.600 Euro aus dem Fonds beziehen. Im Schnitt sind es bisher 1.300 Euro. Insgesamt wurden bis jetzt 120 Mio. Euro an 90.000 Antragsteller ausbezahlt.
Eine Kampagne zur Aufklärung über die Folgen von langer Teilzeit auf die Pension plant Raab nicht, jedoch werden Bezieher von Kinderbetreuungsgeld darüber in Briefen informiert. Das automatische Pensionssplitting sei außerdem in Ausarbeitung und wird hier die Situation enorm verbessern. Die Regierung strebe einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuung an, die Frauen sollen aber selbstständig entscheiden, ob sie schneller zurück ins Arbeitsleben und länger zuhause bleiben wollen.
Als besonders wichtigen Schwerpunkt ihrer Arbeit nennt Raab den Gewaltschutz. Ein Großteil des Frauenbudgets habe sie daher in diesen Bereich investiert. Seit Ausbruch der Pandemie liegen die Betretungs- und Annäherungsverbote auf einem“konstant hohen Niveau“. Es werden rund 1.000 Fälle pro Monat verzeichnet, „wobei dahinter eine hohe Dunkelziffer liegt“. Im ersten Lockdown habe es eine leichte Steigerung gegeben und seitdem habe sich die Fallzahl auf hohem Niveau eingependelt. Raab will die - 2020 schon um zwölf Prozent erhöhte - Förderung für Frauen- und Mädchenberatungsstellen noch einmal um drei Prozent aufstocken - und sie plant eine Initiative gegen Cybergewalt in Paarbeziehungen.
Die Regierungsparteien verhandeln derzeit über ein größeres Paket - das aus Sicht der Grünen auch die verpflichtende Einkommenstransparenz enthalten muss. Ab einer Größe von 35 Mitarbeitern sollen Unternehmen offenlegen, in welcher Position wie viel verdient wird, um damit die Lohnschere zu schließen und Altersarmut vorzubeugen, verlangte die Grüne Frauenchefin und Vizeklubobfrau Disoski im APA-Interview. Bisherige Initiativen seien am ÖVP-Wirtschaftsflügel gescheitert. Aber sie „hoffe doch, dass wir diese Betoniererpolitik aufbrechen können“.
Die EU-Kommission hat diese Woche einen Vorschlag vorgestellt, der Arbeitgeber ab 250 Beschäftigten zur regelmäßigen Offenlegung des Lohnunterschieds zwischen Frauen und Männern verpflichten soll. Disoski will sich an Dänemark orientieren: Dort sei mit der Lohntransparenz ab 35 Mitarbeitern der Gender-Pay-Gap schon nach einem Jahr um mehr als sieben Prozent gesunken.
Für das Pensionssplitting stehen im Regierungsprogramm zwei Reformvarianten nebeneinander: ein automatisches Pensionssplitting bei gemeinsamen Kindern und ein freiwilliges Splitting für alle Paare. Auf letzteres drängen die Grünen. Wann die Reform kommt, darauf wollte sich Disoski aber nicht festlegen: „Wenn es nach mir geht: Je früher, desto besser“, die Gespräche seien im Laufen. Man wolle eben jedenfalls ein „Gesamtpaket“, weil „das eigentliche Problem beginnt ja nicht erst in der Pension“, sondern man müsse bereits früher in der Erwerbsbiografie ansetzen, drängt sie auf die verpflichtende Einkommenstransparenz.
Dass die Frauenministerin nicht von den Grünen, sondern von der ÖVP gestellt wird, habe sie „natürlich bedauert“, räumte Disoski auf eine entsprechende Frage ein. „Aber Bedauern ist keine politische Kategorie.“ Man könne feministische Frauenpolitik auch so vorantreiben, „und das machen wir“. Es handle sich ohnehin um eine Querschnittsmaterie, meinte sie - und verwies auf „Grüne“ Erfolge in der Regierung wie höheres Frauenbudget, Stärkung des Gewaltschutzes, das Gesetzespaket gegen Hass im Netz oder der Anhebung der Mindestpension.
Keine großen Schritte gemacht wurden im vergangene Jahr, was den politischen Einfluss von Frauen betrifft: Der weibliche Anteil in der Bundesregierung (46,7 Prozent ohne Staatssekretäre) und in den Landesregierungen (39,7 Prozent) ist leicht gesunken. Im Nationalrat hingegen gibt es ein winziges Plus (auf 39,9 Prozent) und in den Landtagen ist der Anteil der Mandatarinnen von 31,8 auf 35,7 Prozent gestiegen, wie Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen berechnete. Die türkis-grüne Bundesregierung bestand im Vorjahr mehr als zur Hälfte (53,3 Prozent) aus Frauen - aber weil anstelle der zurückgetretenen Christine Aschbacher im Jänner Martin Kocher (beide ÖVP) Arbeitsminister wurde, sank der Anteil wieder unter die 50er-Marke.