Prozess wegen Tötung von George Floyd begonnen
Fast ein Jahr nach der Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz hat in den USA der Prozess gegen den weißen Hauptangeklagten Derek Chauvin begonnen. Dem früheren Polizisten wird unter anderem Mord zweiten Grades vorgeworfen, worauf im US-Bundesstaat Minnesota bis zu 40 Jahre Haft stehen. Das Gericht in Minneapolis begann am Montag mit Anträgen zum Ablauf des Verfahrens.
Den eigentlich vorgesehenen Anfang der zeitaufwendigen Auswahl der zwölf Geschworenen und vier Ersatzkandidaten verschob Richter Peter Cahill zunächst auf Dienstag.
Das Hauptverfahren soll weiter am 29. März beginnen. Cahill lehnte am Montag das Ansinnen von Staatsanwalt Matthew Frank ab, den Beginn des Prozesses zu verzögern, um eine Entscheidung einer höheren Instanz abzuwarten. „Wir versuchen nicht, diesen Fall zu verzögern, aber wir wollen den Prozess richtig machen“, sagte Frank. Chauvins Anwalt Eric Nelson lehnte die Verzögerung ab.
Bei dem Streit ging es um die Zulassung eines zusätzlichen Anklagepunkts. Richter Cahill hatte ursprünglich den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, Chauvin auch Mord dritten Grades zur Last zu legen. Darauf stehen 25 Jahre Haft. Ein Berufungsgericht hatte aber am Freitag erklärt, dass der Richter die Anklage zulassen sollte. Diese Entscheidung ist aber nicht endgültig, sie könnte noch vor dem obersten Gericht des Bundesstaats Minnesota landen. Staatsanwalt Frank argumentierte daher, in dieser Sache müsse die letztinstanzliche Entscheidung abgewartet werden. Richter Cahill nannte diese Argumentation „ein bisschen dünn“ und erklärte, die Auswahl der Geschworenen könne trotzdem schon beginnen.
Chauvin, der nach dem Vorfall entlassen wurde und später auf Kaution freikam, wird Mord zweiten Grades ohne Vorsatz vorgeworfen. Nach deutschem Recht entspräche dieser Anklagepunkt eher dem Totschlag. Chauvin muss sich zudem wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, was mit zusätzlich 10 Jahren Haft geahndet werden könnte.
Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einer brutalen Festnahme ums Leben gekommen. Die Polizeibeamten hatten ihn wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben. Sie drückten ihn auf der Straße zu Boden. Chauvin drückte sein Knie gut acht Minuten lang in Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb. Videos des Einsatzes - aufgenommen von Passanten - verbreiteten sich wie ein Lauffeuer.
Floyds Schicksal hatte in den USA monatelang zu Massenprotesten gegen Polizeigewalt und Rassismus geführt - und das, obwohl wegen der Pandemie vielerorts eigentliche strikte Auflagen galten. Die Proteste erschütterten das Land in historischem Ausmaß. Auch in vielen anderen Ländern, darunter auch in Deutschland, gab es Demonstrationen gegen Rassismus - oft verbunden mit dem Motto „Black Lives Matter“. Die Erwartungen an den Prozess sind daher groß. Viele Menschen in den USA, darunter wohl auch die meisten Schwarzen, hoffen auf eine lange Haftstrafe für Chauvin. Sie hoffen auf ein Urteil, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzt.
Das Gericht in Minneapolis war wegen des Prozesses mit Betonsperren und Zäunen abgeriegelt worden. Rund um das Gebäude versammelten sich am Montag Hunderte Demonstranten, die Gerechtigkeit für George Floyd forderten. Bei einem Protest skandierten Demonstranten einem Video zufolge „Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“. In der Stadt war es nach Floyds Tod zu massiven Ausschreitungen gekommen, zahlreiche Geschäfte und eine Polizeiwache gingen in Flammen auf.
Den übrigen drei an dem Einsatz gegen Floyd beteiligten Ex-Polizisten wird Beihilfe zur Last gelegt. Sie werden in einem separaten Verfahren ab 23. August vor Gericht stehen. Auch ihnen könnten im Fall einer Verurteilung langjährige Haftstrafen drohen.