Weltpolitik

Die Kriegsgefahr nimmt zu: Taiwan als Konfliktherd für China und USA

Staatschef Xi Jinping gestern beim Volkskongress – zu sehen auf einem Bildschirm in Peking. Er will Taiwan wieder eingliedern.
© AFP

Chinas Staatschef arbeitet an den Voraussetzungen für die gewaltsame Wiedereingliederung von Taiwan. Das würde Krieg mit den USA bedeuten.

Von Floo Weißmann

Peking – Zum Abschluss seiner Jahrestagung hat der chinesische Volkskongress gestern den Fünf-Jahres-Plan der Führung abgesegnet. Er soll Chinas wirtschaftliche und technologische Abhängigkeit vom Ausland verringern, gepaart mit massiver Aufrüstung. Am Rande der Tagung rief Staats- und Parteichef Xi Jinping das Militär zu stetiger Kampfbereitschaft auf. Es gehe um eine „hochkarätige strategische Abschreckung“.

Er sandte damit ein Signal an die Heißsporne im Militär und an jenes Lager innerhalb der chinesischen Elite, das es auf eine Konfrontation mit den USA anlegt, sagte die Wiener Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik der TT. Dieses Lager betrachte die USA als untergehende Weltmacht infolge der Trump-Jahre und der Corona-Krise – eine günstige Gelegenheit für China, sich durchzusetzen.

Demgegenüber steht laut der Expertin ein anderes Lager, das vor übereilten Aktionen warnt und sich zunächst einmal mit den USA arrangieren will. Auch dieses Lager hat nun ein Signal erhalten: ein Treffen der Außenminister nächste Woche in Alaska, auf halbem Weg zwischen Washington und Peking.

Zentrale Forderung der Chinesen: Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Dann könnten sich die größten Mächte unserer Tage „gemeinsam darüber verständigen, wie man die Welt regiert“, formuliert Weigelin-Schwiedrzik.

Dem Dialog zwischen den moderateren Kräften in Peking und der neuen US-Führung zum Trotz hält es die Expertin für „nicht ganz unrealistisch“, dass es in den kommenden Jahren zu einem militärischen Konflikt kommt. Staatschef Xi wolle „mit einer Großtat in die Annalen eingehen“ und Taiwan notfalls mit Gewalt wieder eingliedern. Allerdings stehe dies nicht unmittelbar bevor. China betrachtet die de facto selbstständige Insel, die mit den USA verbündet ist, als seine abtrünnige Provinz.

Auf der Gegenseite versteht auch der neue Präsident Joe Biden China als größte Gefahr für US-Interessen. Er werde in der Taiwan-Frage „harte Kante zeigen“, meint Weigelin-Schwiedrzik. Bidens Regierung hat bereits begonnen, die vom Vorgänger Donald Trump verprellten Verbündeten in einer Allianz gegen China zu versammeln. „Man versucht, die Chinesen zu isolieren, um sie von einem Schlag abzuhalten.“

Als Hinweis auf die wachsende Kriegsgefahr versteht die Expertin auch die Bemühungen, sich wirtschaftlich und technologisch auf eigene Beine zu stellen, etwa durch neue Lieferketten und Produktionskapazitäten für strategische Güter. Die Entflechtung der Volkswirtschaften wird im Fachbegriff Decoupling genannt. Auch die Europäer sind infolge der Corona-Krise auf diesen Zug aufgesprungen. „Alle haben die Zeichen der Zeit erkannt“, sagt Weigelin-Schwiedrzik.

„Man hat immer gesagt, dass Verflechtung die Kriegsgefahr verringert“, erinnert die Expertin. Umgekehrt heißt das: „Je mehr die Welt annimmt, dass ein Krieg unausweichlich ist, desto mehr werden wir ‚decouplen‘.“

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