Armut in Tirol nimmt zu: Wenn selbst das Nötigste knapp wird
Durch die Corona-Krise haben viele Menschen in Tirol ihren Arbeitsplatz verloren – besonders in Hotellerie und Gastronomie. Die Armut im Land nimmt zu. Sozialmärkte und Tafeln sind gefordert wie lange nicht mehr.
Von Rosa Karbon
Innsbruck – Immer mehr Tiroler können sich den Einkauf beim Lebensmittelhändler ums Eck nicht mehr leisten. Für sie gibt es soziale Einrichtungen, wie den Tiroler Sozialmarkt (TISO) in Innsbruck oder die Team-Österreich-Tafel des Roten Kreuzes. Seit Beginn der Pandemie steigt die Zahl jener Menschen, die diese Institutionen in Anspruch nehmen.
„Wir wollen so wenige Kunden wie möglich haben“, fasst Michaela Landauer vom TISO-Markt in Innsbruck das für einen Lebensmittelmarkt doch recht ungewöhnliche Ziel zusammen. Sozialmärkte sollen in erster Linie den täglichen Bedarf an Grundnahrungsmitteln für Menschen mit geringem Einkommen sicherstellen. Die dort ausgegebenen Lebensmittel werden den neun Tiroler Sozialmärkten von regionalen Gastronomien und Händlern kostenlos zur Verfügung gestellt. Waren, die ansonsten weggeworfen würden, können so zu geringen Preisen an Bedürftige weitergegeben werden. „Große Stangen Wurst oder Käse portionieren wir in kleinere Mengen, vakuumieren und etikettieren sie und geben sie dann an unsere Kunden aus“, erklärt Landauer. Einen Überschuss an Nahrungsmitteln hätten die Märkte so gut wie nie, „sobald die Waren reinkommen, werden sie auch schon gekauft“. Der TISO-Markt in der Innsbrucker Adamgasse besteht inzwischen seit 16 Jahren und fungiert als Drehscheibe für die acht weiteren Geschäfte in den Bezirken. Die Läden sind mittlerweile so breit aufgestellt, dass es fast dasselbe Angebot wie in einem regulären Lebensmittelgeschäft gibt, sagt Landauer.
Sozialmärkte sollen lediglich als Übergangslösung für die Bedürftigen dienen, „jeder, der Hilfe braucht, kann sich gerne melden“, betont Landauer und führt die Geschichte eines Mannes, der vor mehreren Jahren nach Tirol immigrierte, als Beispiel an. Als er nach Innsbruck kam, war der TISO-Markt eine Starthilfe. Er machte eine Lehre zum Koch, erhielt einen guten Job und war von da an nicht mehr auf diese Hilfe angewiesen. „Seit einem Jahr ist er aufgrund der Folgen der Pandemie arbeitslos und wieder bei uns Kunde“, erzählt Landauer. In den vergangenen Wochen seien immer mehr Menschen vom AMS gekommen, die nun ihren Arbeitsplatz definitiv verloren hätten. „Erstaunlich viele Neukunden waren ursprünglich in der Gastronomie und Hotellerie tätig. Niemand soll sich vor einer Anmeldung scheuen.“ Erstkunden müssen lediglich ihre Eckdaten angeben und die finanzielle Situation vorweisen. Für Einzelpersonen liegen die Einkommensgrenzen bei 1000, für Ehepaare bei 1300 Euro. Anschließend kann bis zu dreimal wöchentlich für maximal zehn Euro eingekauft werden. Für jene, die von außerhalb der Stadt kommen, ist auch ein Wocheneinkauf von etwa 30 Euro möglich.
Die Team-Österreich-Tafel des Roten Kreuzes ist in Tirol eine zusätzliche Anlaufstelle für jene, denen im Monat nicht genügend Geld zum Leben bleibt. Die Tafel in Innsbruck vermerkt seit Beginn der Corona-Krise einen Kundenanstieg von etwa 30 Prozent. „Wir spüren dieses zusätzliche Drittel, sind aber noch nicht am Limit“, erklärt Jasmin Dietrich, Leiterin der Tafel in Innsbruck. Derzeit versorgt das Rote Kreuz in Innsbruck jeden Samstag rund 130 Bedürftige, steigt die Zahl auf 150, müssen neue Lösungen her. Auch an einem alternativen Konzept zur Lebensmittelausgabe führte aufgrund der aktuellen Verordnungen kein Weg vorbei. Mittlerweile werden fertige Essenspakete gepackt, die je nach Familiengröße ausgegeben werden. „Wir haben unsere Kunden in vier Gruppen mit unterschiedlichen Uhrzeiten eingeteilt, die in der Reihenfolge wöchentlich rotieren – früher waren alle gleichzeitig vor Ort“, sagt Dietrich.
Die Ausgabe finde zudem großteils im Freien statt, der Kontakt soll so kurz wie möglich sein. „Persönliche Gespräche mit den Menschen fallen so leider fast gänzlich weg“, bedauert die Leiterin der Innsbrucker Tafel. Erfreulich sei für Jasmin Dietrich die große Anzahl an neuen Mitarbeitern, die sich im vergangenen Jahr gemeldet haben. Immer wieder würden Anfragen einlangen. „Viele wollen sozial Bedürftigen helfen. Ich freue mich über jeden, der uns unterstützt“, sagt sie. 65 Freiwillige sind derzeit im Einsatz.
In der Landeshauptstadt setzt sich aktuell eine Arbeitsgruppe mit einem im Gemeinderat beschlossenen Antrag auseinander. Dieser sieht vor, dass Spender TISO-Gutscheine kaufen und diese bettelnden Menschen zukommen lassen können. Wann das umgesetzt wird, ist noch offen.