Mord an Journalist Dink in Istanbul: Lebenslange Haftstrafen
Mehr als 14 Jahre nach der Ermordung des armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink hat ein Istanbuler Gericht lange Haftstrafen gegen Hintermänner der Tat verhängt. Drei Angeklagte seien wegen Mordes zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Weitere Haftstrafen wurden wegen Verstoßes gegen die Verfassung, Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, fahrlässiger Tötung oder Dokumentenfälschung verhängt.
Dink war am 19. Jänner 2007 vor dem Redaktionsgebäude der Wochenzeitung „Agos“ in Istanbul auf offener Straße erschossen worden. Als Chefredakteur des Blattes hatte er sich für die Aussöhnung von Türken und Armeniern starkgemacht. Er hatte die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet - für viele in der Türkei ein Tabubruch. So geriet er ins Visier türkischer Nationalisten.
Nach dem Urteilsspruch kritisierten Anwälte und Freunde Dinks, der Prozess habe die Hintergründe nicht aufklären können. Erol Önderoglu von der Organisation Reporter ohne Grenzen sagte, es hätten mindestens noch 20 weitere Staatsbeamte in diesem Verfahren angeklagt werden sollen.
Der Attentäter selbst war in einem vorherigen Prozess zu knapp 23 Jahren Gefängnis verurteilt worden und ist noch in Haft. Auch mehrere Hintermänner wurden bereits verurteilt. Da die Hintergründe der Tat aber noch nicht vollständig aufgeklärt waren, beschäftigt der Fall weiterhin die Gerichte.
Im aktuellen Prozess waren 76 Menschen angeklagt. Davon wurden zwei freigesprochen, die Anklagen gegen zwei weitere wurden wegen Verjährung fallen gelassen. Unter den Angeklagten war auch der in den USA lebende islamische Prediger Fethullah Gülen, den die türkische Regierung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht. Gegen Gülen gab es aber noch kein Urteil. Sein Verfahren und das zwölf weiterer Angeklagter solle getrennt verhandelt werden, berichtete Anadolu.
Schon früh gab es zahlreiche Hinweise auf eine Verstrickung von Sicherheitskräften und Behörden in den Mord. Für die Anwälte und Unterstützer Dinks stand lange fest, dass Polizei, Gendarmerie und Geheimdienst von den Mordplänen wussten, aber nichts zum Schutz des Journalisten unternommen hatten.
Im Jänner 2015 wurden aus eben diesem Grund zum ersten Mal Staatsbedienstete angeklagt. Die Anklage gegen Polizisten folgte auf die Kampfansage des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an seinen ehemaligen Verbündeten, Fethullah Gülen. Der Mord an Dink sei eine Verschwörung von Polizisten und Justizbeamten gewesen, die der Gülen-Bewegung angehören, hieß es von türkischen Behörden.
Dabei hatte noch im Jänner 2012 ein Istanbuler Strafgericht befunden, dass es keine Verbindungen zu kriminellen oder terroristischen Organisationen gebe - und damit für Entrüstung gesorgt. Prozessbeobachter hatten damals bereits gesagt, der Mord habe nicht die Tat eines einzelnen Mannes gewesen sein können.
Der Mord an einem der bekanntesten Intellektuellen der Türkei löste damals große Bestürzung aus. Alleine in Istanbul gingen Hunderttausende auf die Straßen, alljährlich wird ihm an seinem Todestag gedacht.