Album

„Kids“ von Noga Erez: Verspielter Pop und Feuerdrachen

Unkonventioneller Pop aus Tel Aviv: Die 31-jährige Noga Erez veröffentlicht mit „Kids“ ihr nunmehr zweites Album.
© shai-franco

Noga Erez’ zweites Album trägt den schnöden Titel „Kids“. Hinter fröhlich-coolen Elektromelodien steckt so manch politische Realität.

Von Barbara Unterthurner

Innsbruck – Was wäre, wenn der Nachrichtensprecher bei der abendlichen Hauptsendung nichts vorzulesen hätte? Wenn die Zeitung hier leer bliebe? Wären das wirklich einmal „Good News“, nach denen alle trachten? Noga Erez zumindest flirtet aktuell musikalisch mit diesem Gedanken. Und einigen weiteren düsteren noch dazu. In ihrer krachenden Lockdownhymne „No News on TV“ besingt die israelische Singer/Songwriterin ihr Leben der letzten Monate zwischen der ständigen Angst, etwas zu verpassen, und einer alles überschattenden Langeweile. „Man, I’m so bored“ wird zum Lebensgefühl im Lockdown.

„No News on TV“ stimmte bereits vorab auf das neue, zweite Album ein. Der Mainstream hatte sie bei ihrem Debüt „Off the Radar“ (2017) noch nicht auf dem Radar. Das könnte sich mit dem neuen „Kids“ durchaus ändern. Stilistisch steht sie den großen Popstars wie Billie Eilish schließlich in nichts nach. Im Gegenteil: Eilish und ihr Bruder Finneas sind erklärte Fans der innovativen Israelin.

📽️ Video | Noga Erez – End of the Road

Schon mit zwei Alben hat sie sich einen ziemlich einzigartigen Stil angeeignet, der zwischen catchy Elektropop und coolem Hip-Hop changiert. Der Sound schleicht über dick geknüpfte Synthieteppiche, stolpert über Trap-Elemente dahin, verwirrt sich in zuweilen sperrigen Elektromelodien. Unkonventionell, oftmals bewusst verspielt – aber sehr gut. Produziert wurde einmal mehr mit Bassmeister und Lebenspartner Ori Rousso. Und beide haben immer noch viel Lust, zu experimentieren.

Textlich rappt Noga Erez der jungen Generation aus der Seele, die zuweilen düster daherkommt – hier lässt Billie Eilish wieder grüßen. Der Opener „Cipi“ etwa gleitet ein mit: „I’m de-de-de-deeply depressed“. Im toxischen Beziehungsdrama „You So Done“ hingegen resigniert das Ich etwa abgestumpft: „What a joke, what a joke you made me“.

Neben dem sehr Privaten geht es bei Noga Erez aber auch um Gesellschaft und Politik. Mitunter wird’s sehr konkret: In „Fire Kiter“ etwa werden aus Bomben „Feuerdrachen“. Losgeschickt wurden diese 2018 vom Gaza-Streifen, das Grenzgebiet in Israel stand nicht nur einmal in Flammen. Der Konflikt lodert im Pop nochmals auf, ohne politisch Stellung zu beziehen. Das macht Erez lieber abseits. In Interviews warnt sie etwa vorm zunehmenden Rechtsruck der Politik von Immer-noch-Präsident Benjamin Netanjahu.

Über die Politik kommt sie wieder zu inneren Konflikten. Auch hier ist das Ende offen. Dafür steht der klebrige Ohrwurm „End of the Road“. Zum Abschied wird mit „Switch it Off“ gar aufgefordert, endlich abzuschalten; ein jazziger, melancholischer Ausklang, der bei Noga Erez nur noch Lust auf mehr macht.

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