Tiroler Hotelburgen von damals: Im Alpinen gestrandete Ozeandampfer
„Tadellos konstruierte Apparate“: Die Innsbrucker Kunst- und Architekturhistorikerin Bettina Schlorhaufer auf der Spur von Tiroler Hotelburgen, wie sie um 1900 en vogue waren.
Von Edith Schlocker
Innsbruck – Fast drei Kilo bringen die zwischen vier Buchdeckel gepackten, zwischen 1890 und 1930 in Süd- und Nordtirol bzw. im Trentino gebauten Berghotels auf die Waage. Als Ergebnis jahrelanger intensiver Recherche durch die Innsbrucker Kunst- und Architekturhistorikerin Bettina Schlorhaufer in diversen Archiven, wobei sich das von Musch & Lun als besonders ergiebig erwiesen hat. Schlorhaufer hat aber auch fast alle jene Orte besucht, an denen diese Hotelburgen einst standen. Denn einigermaßen original erhalten ist kaum eine davon, habe den meisten doch der Erste Weltkrieg das Genick gebrochen, so die Autorin.
Die in dem zweibändigen, reich bebilderten Werk auf rund 600 Seiten in eine Welt entführt, in der der alpine Tourismus zu boomen begann, wobei es besonders deutsche und britische Sommerfrischler ins Tirolische bzw. Trentinische zog. Um diesen Ansturm zu bewältigen, brauchte es „tadellos konstruierte Apparate“, wie Joseph August Lux 1909 in „Das Hotel, ein Bauproblem“ schreibt. Die angesichts ihrer Überdimensionalität oft wie zwischen Berggipfeln „gestrandete Ozeandampfer“ daherkommen würden.
Bettina Schlorhaufer spürt in dem Buch sämtlichen Facetten des Phänomens dieser Großhotels nach, die allerdings alles andere als luxuriös waren, wie zeitgenössische Bilder vielleicht vermuten lassen. Erst relativ spät wurden etwa Bäder eingebaut bzw. fließendes Wasser installiert und auch die Elektrifizierung war einfach.
Von außen gaben sich die Architekturen dagegen gern feudal burgig, als in einem krausen stilistischen Mix ins Monumentale aufgeblasene Neuinterpretationen mittelalterlicher Ansitze. Wobei ein möglichst pittoreskes Ambiente besonders die im Gegensatz zu den italienischen Gästen so begehrten Briten anzog. Gebaut oft nach einem rationalen Baukastenprinzip, was diese Hotelburgen zu reizvollen Zwittern aus Anachronismus und Innovation macht. Das „Herz“ dieser Berghotels waren neben den oft mit damals modernen Bugholzmöbeln ausgestatteten Lounges besonders die Speisesäle mit ihren aufwändig konstruierten Tonnengewölben aus Holz. Ein besonders schönes – dreifach gewölbtes und reizvoll kassettiertes – besaß etwa das Hotel Trafoi.
In den zwei Büchern erfährt man aber auch, was etwa die zunehmend ausgebauten Eisenbahnverbindungen mit diesen alpinen Großhotels zu tun haben. Oder vom „Architekturtransfer“ von den Dolomiten auf den Semmering bzw. über den um 1900 stark boomenden Heilbädertourismus.
In Band zwei werden die markantesten Beispiele der Berghotels näher betrachtet. Wie das 1902/03 bzw. 1929/30 am Pragser Wildsee erbaute. Das als eines der ganz wenigen Häuser dieser Art von seinen Betreibern bis heute ganz bewusst fast unverändert erhalten wurde. Um auf diese Weise fast zu einem Pilgerort für eine ganz spezielle Klientel zu werden.