Hunter Biden

Tragödien, Sucht und Treue: Bekenntnisse eines Biden

Die Memoiren des Präsidentensohnes gewähren erstaunlich tiefe Einblicke.
© AFP

Hunter Biden, Sohn des US-Präsidenten, berichtet in seinen Memoiren über menschliche Dramen im Schatten der Spitzenpolitik.

Washington — Hunter Biden war ganz unten. Wochenlang verbarrikadierte sich der Sohn von Joe Biden in einer Wohnung in Washington und trank eine Flasche Wodka nach der anderen. „Irgendwann schaffte ich es nicht mehr, mir überhaupt noch etwas ins Glas zu gießen." Um den Jahreswechsel 2015/2016 nahm er fast zehn Kilo ab. Irgendwann habe sein Magen nicht mal mehr die Instant-Nudeln aus dem Spirituosen­geschäft gegenüber vertragen. „Ich ertränkte mich in Alkohol."

Sein Vater Joe Biden war damals US-Vizepräsident. Mit kleinem Sicherheitsaufgebot kam er in die Wohnung seines Sohnes, sah dessen Zustand und weigerte sich zu gehen, bis Hunter einwilligte, professionelle Hilfe zu suchen.

Es war nicht der einzige Absturz in Hunter Bidens Leben, und auch nicht der tiefste. In seinen Memoiren mit dem Titel „Beautiful Things" („Schöne Dinge"), die am Dienstag in den USA veröffentlicht wurden, berichtet Hunter Biden offen von seinem jahrzehntelangen Kampf gegen Alkohol und Drogen, vom Teufelskreis aus Exzessen, Therapien und Rückfällen, von den Schicksalsschlägen in der Familie und dem Verhältnis zu seinem Vater. Inzwischen ist Hunter Biden clean, und sein Vater ist Präsident der USA.

Geprägt von privatem Kummer

Das Leben der Bidens ist geprägt von privatem Kummer. Bidens erste Ehefrau Neilia und die Tochter Naomi starben bei einem Autounfall. Hunter, damals drei Jahre alt, und der ein Jahr ältere Beau überlebten schwer verletzt. Im Krankenhaus wurde der Bruder „mein bester Freund, mein Seelenverwandter, der Stern, der mich führt".

Dennoch begann Hunter schon in der High School zu trinken. „Es löste meine Hemmungen und Unsicherheiten." Er verhedderte sich im Gestrick aus Scham, Schuldgefühlen, Versteckspielen. Die Sucht zerstörte auch seine erste Ehe.

Als 2015 die nächste Katastrophe passierte, riss es Hunter Biden den Boden unter den Füßen weg. Sein Bruder Beau starb im Alter von 46 Jahren an einem Hirntumor. „Ich habe mich nie so einsam gefühlt wie nach Beaus Tod", schreibt Hunter Biden. „Ich verlor jede Hoffnung." Mit Beaus Tod zerbrach auch das Dreier-Gespann von Vater und Söhnen.

Die Alkoholexzesse gingen weiter, Hunter driftete zudem in eine Crack-Sucht ab und umgab sich mit zwielichtigen Gestalten. Noch während Joe Biden 2019 seine Präsidentschaftsbewerbung vorbereitete, war Hunter Biden in einem Crack-Nebel versunken.

Sein Vater habe ihn nie im Stich gelassen, schreibt er. „Er gab mich nie auf, er wies mich nie ab, er urteilte nie über mich, ganz egal, wie schlimm es um mich stand." Einmal nach einem Familientreffen, das in einem Eklat endete, sei sein Vater mit ihm aus dem Haus gestürmt. „Er lief mir auf die Auffahrt nach (...), hielt mich im Dunkeln fest und weinte eine Ewigkeit."

Als Joe Bidens Wahlkampagne gerade anlief, verliebte sich Hunter Biden auf einen Schlag in eine Frau, die ihm half, die Drogen hinter sich zu lassen. Wenige Tage nach ihrer ersten Begegnung heirateten die beiden. Inzwischen haben sie ein Kind — und gaben ihm den Namen Beau. (dpa)

Der Sohn als politische Angriffsfläche

Hunter Biden hat im Präsidentschaftswahlkampf 2020 eine unfreiwillige Nebenrolle gespielt. Amtsinhaber Donald Trump sah im Sohn seines politischen Rivalen einen Schwachpunkt. In einer TV-Debatte brachte er Hunters Drogensucht zur Sprache. Joe Biden konterte entschlossen: „Mein Sohn hatte ein Drogenproblem, aber er hat es überwunden, und ich bin stolz auf ihn."

Schon zuvor hatte das Trump-Lager versucht, Joe Biden mit Korruption in Verbindung zu bringen. Auch dabei ging es um Hunter Biden. Er hatte einen lukrativen Posten im Verwaltungsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma — just zu der Zeit, als der Vater als Vizepräsident für die Ukraine zuständig war.

Beweise für ein Fehlverhalten wurden nie erbracht. Aber Trump versuchte, die Ukraine zu Ermittlungen zu nötigen. Das führte zum ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump, das die Republikaner abschmetterten.