Neue Studie: Wenig Diversität im heimischen Journalismus

Nur sechs Prozent der österreichischen Journalistinnen und Journalisten haben einen nicht-deutschsprachigen Migrationshintergrund. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie „Diversität und Journalismus“ von Andy Kaltenbrunner und Renée Lugschitz. „Die Förderung von Diversität in Redaktionen ist selten integraler Bestandteil der Unternehmenspolitik“, so die Studienautoren. Dabei zeichnet diese Gruppe ein höherer Frauenanteil, ein jüngeres Alter und bessere Ausbildung aus.

Ausgewertet wurden Daten, die zuvor im Rahmen des Forschungsprojekts „Journalism in Transition“ von Medienhaus Wien und dem Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Klagenfurt in den Jahren 2018/19 registriert wurden. Dabei wurden soziodemografische Daten von 5.346 Journalistinnen und Journalisten in mehr als 300 österreichischen Medienunternehmen erhoben und 501 Interviews mit Journalistinnen und Journalisten geführt. Darüber hinaus wurden für die vorliegende Studie, die im Herbst veröffentlicht werden soll, elf Interviews mit Medienmanagern sowie Praktikern aus auf Diversität ausgelegte Medien wie „biber“ geführt.

Die Studie widmet sich Diversität in mehreren Bereichen wie Geschlechtergerechtigkeit, Alter und Bildungsstand, besonders augenfällig sind jedoch die Ergebnisse in Hinblick auf die Ethnizität, wie Kaltenbrunner und Lugschitz ausführen. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund (die Person selbst oder beide Elternteile sind nicht in Österreich geboren) in Österreich liegt bei rund 24 Prozent. Die Medienhaus Wien-Studie zählte auch jene Journalisten dazu, bei denen nur ein Elternteil aus dem Ausland kommt - und kam trotz dieses breiteren Verständnisses doch nur auf 12 Prozent mit Migrationshintergrund. Von diesen stammt die Hälfte der Befragten aus anderen deutschsprachigen Ländern. Lediglich 62 der 501 für die Branche repräsentativ Befragten wurden selbst im Ausland geboren oder verfügen über einen nicht in Österreich geborenen Elternteil. Hochgerechnet auf alle Journalisten in Österreich bedeutet das, dass nur rund 360 Journalisten landesweit einen nicht-deutschsprachigen Migrationshintergrund haben.

„In den USA und Großbritannien sind solche Missverhältnisse seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema in den Newsrooms und bei der Personalrekrutierung“, sagt Journalismusforscherin Renée Lugschitz: „Ein wesentliches Argument ist ökonomisch: Nur diverse Reaktionen verstehen und erreichen mit ihren Medien und Geschichten immer vielfältigere Gesellschaften.“

So wenig divers die heimischen Newsrooms sind, so spannend ist ein genauer Blick auf die Daten. So liegt etwa der Frauenanteil in heimischen Newsrooms mit 47 Prozent bereits knapp bei der Hälfte, bei Journalistinnen mit Migrationshintergrund sind es sogar 57 Prozent. Auch sind sie deutlich jünger: Rund 40 Prozent der interviewten Personen mit Migrationshintergrund waren unter 40 Jahre alt, während Kolleginnen und Kollegen ohne Migrationshintergrund nur zu einem Drittel unter 40 Jahre alt sind. Auch verfügen sie mit 53 Prozent deutlich öfter über einen Hochschulabschluss (Gruppe ohne Migrationshintergrund: 46 Prozent). In der Gesamtbevölkerung liegt der Akademisierungsgrad bei 16 Prozent. Umgekehrt arbeiten Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund öfter als ihre Kolleginnen und Kollegen (10 bis 15 Prozent) freiberuflich - mehr als ein Fünftel ist nicht fix angestellt.

„Auch jene von uns interviewten JournalistInnen, die sich kontinuierlich mit Fragen der Diversität im Newsroom beschäftigen, sehen im Allgemeinen noch immer wenig Bemühungen um Diversität von Seiten des Managements“, stellen Kaltenbrunner und Lugschitz fest. Die beruflichen Einstiegsbarrieren seien nach wie vor sehr hoch. Auch fühlten sich Menschen mit Migrationshintergrund - nicht zuletzt aufgrund des Mangels an Redakteurinnen und Redakteuren unterschiedlicher Herkunft - von klassischen Medien kaum angesprochen, beobachten auch die befragten Medienvertreter. Die Manager seien sich zwar einig, dass es eine aktive Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund im Journalismus brauche, die tatsächliche Umsetzung sei jedoch nicht stark ausgeprägt. So ziehen Kaltenbrunner und Lugschitz ein ernüchterndes Fazit: „Bis der Ruf nach Diversität in den Führungsebenen nicht nur angekommen ist, sondern auch als Anspruch an sich selbst verstanden wird, wird wohl noch einige Zeit vergehen.“

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