Baerbock soll Kanzlerkandidatin der deutschen Grünen werden

Die deutsche Grünen-Chefin Annalena Baerbock soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf führen. Dies teilte Co-Parteichef Robert Habeck am Montag mit. „Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen“, sagte er. Erstmals in ihrer Geschichte ziehen die Grünen mit dem Anspruch in die Wahl, stärkste Partei im Bund zu werden. Die Entscheidung muss noch auf einem Parteitag vom 11. bis 13. Juni bestätigt werden, die Zustimmung gilt aber als sicher.

„Es wird nicht immer leicht sein“, sagt Baerbock zu ihrer Kanzlerkandidatur für die Grünen. Der Wahlkampf werde die Partei gehörig fordern. Die Partei werde sich aber untereinander helfen, die größte Kraft entstehe immer aus gemeinsamem Handeln. Sie sehe ihre Kandidatur „als Einladung, unser vielfältiges, reiches, starkes Land in eine gute Zukunft zu führen“, so Baerbock.

Als Leitlinie für die nächste Regierung gab Baerbock das Ziel der Klimaneutralität vor. Andernfalls mache eine Regierung „nicht wirklich Sinn“, sagte die Co-Parteichefin. „Ein bisschen Klimaschutz wird nicht funktionieren.“

Habeck soll im Wahlkampf laut Baerbock eine prominente Rolle einnehmen. „Wir werden den Wahlkampf gemeinsam anführen“, sagt Baerbock. „Das hat uns drei Jahre stark gemacht.“ Habeck werde vor allem seine Regierungserfahrung in Schleswig-Holstein einbringen.

Mit Blick auf den Streit um die Kanzlerkandidatur in CDU/CSU zeigte sich Baerbock besorgt. Es bereite ihr Sorgen, wenn eine deutsche Regierungspartei in Zeiten großer internationaler Herausforderungen „ins Schwanken kommt“, sagte Baerbock. In anderen europäischen Ländern habe sich gezeigt, was es für die Stabilität Europas bedeute, „wenn zentrale demokratische Parteien auseinanderbröckeln“.

CDU-Chef Armin Laschet gratuliert Baerbock unterdessen zur Kandidatur. Gerade in diesen schwierigen Zeiten sei es wichtig, fair miteinander umzugehen, sagte Laschet vor der CDU-Parteizentrale in Berlin. Das sichere er Baerbock für die CDU hiermit zu, so Laschet weiter.

Glückwünsche kamen auch von der SPD. „Wir freuen uns auf konstruktive wie auch kontroverse Dialoge und Diskussionen mit der Spitzenkandidatin und ihrer Partei um die besten Lösungen“, sagten die die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstagsausgabe).

Mit der Entscheidung der Grünen enden monatelange Spekulationen. Die Partei überließ die Klärung der Kandidatenfrage ihren beiden Parteivorsitzenden Baerbock und Robert Habeck, die sich geräuschlos untereinander verständigten.

Die Grünen hatten sich angesichts der seit 2018 hohen Umfragewerte erstmals für eine Kanzlerkandidatur entschieden. Derzeit sind sie mit mehr als 20 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU/CSU und vor der SPD. Baerbock ist bei der 20. Bundestagswahl seit 1949 erst die zweite Frau nach Angela Merkel, die sich um das höchste Regierungsamt bewirbt. Keiner der bisherigen Kanzlerkandidaten war jünger als die 40-Jährige.

Baerbock wird bei der Wahl gegen zwei Männer antreten: Die SPD hat Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz nominiert, die Union muss sich noch zwischen den Vorsitzenden von CDU und CSU entscheiden, Armin Laschet und Markus Söder.

Anders als bei CDU und CSU hat es bei den Grünen weder Streit noch größere öffentliche Diskussionen über die Kandidatenkür geben. Deswegen wird auch auf dem Parteitag im Juni eine große Zustimmung erwartet.

Baerbock wuchs in der Nähe von Hannover auf und studierte Politikwissenschaften und Völkerrecht in Deutschland und London. Bei den Grünen hat die Mutter von zwei Töchtern schnell Karriere gemacht: 2009 Vorstand der europäischen Grünen und Landesvorsitzende in Brandenburg; 2013 Einzug in den Bundestag; 2018 Bundesvorsitzende der Grünen gemeinsam mit Habeck.

Bisher haben in der Regel nur CDU/CSU und SPD Kanzlerkandidaten nominiert, mit einer Ausnahme: 2002 stellte die FDP Guido Westerwelle auf, wurde dann aber mit 7,4 Prozent nur viertstärkste Kraft im Bundestag hinter SPD, CDU/CSU und Grünen.

hr bisher bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl erzielten die Grünen 2009 mit 10,7 Prozent. Bei der Wahl 2017 kamen sie nur auf 8,9 Prozent.

In Umfragen liegen die Grünen derzeit bei 20 bis 23 Prozent und damit nur wenige Prozentpunkte hinter der Union und deutlich vor der SPD. Laut dem Chef des Meinungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, stehen die Chancen für die Grünen nach der Nominierung Baerbocks bei der Bundestagswahl noch besser. „Sie spricht stärker die weiblichen und jungen Wähler an. Hier könnten die Grünen mit ihr stärker punkten“, so Güllner. Sie stehe für einen modernen Politikstil. „Das ist sicherlich unter den aktuellen Rahmenbedingungen eine richtige Entscheidung.“

Verwandte Themen