Frankreich warnt Russland vor Tod Nawalnys

Frankreich warnt Russland mit scharfen Worten davor, den im Hungerstreik befindlichen inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sterben zu lassen. „Das erbarmungslose Vorgehen gegen Nawalny ist unerträglich“, sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Donnerstag dem TV-Sender France 2. Sollte der Oppositionelle sterben, „werden wir die nötigen Sanktionen ergreifen“. Die EU werde Russlands Präsident Wladimir Putin und die russischen Behörden dafür verantwortlich machen.

Le Drian ergänzte: „Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt.“ Der 44 Jahre alte Oppositionelle, der im vergangenen Jahr nur knapp einen Giftanschlag überlebte, ist seit drei Wochen im Hungerstreik, um so eine Behandlung von einem unabhängigen Arzt zu erwirken. Er klagt über Rückenschmerzen und Lähmungserscheinungen in den Gliedmaßen.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats forderte die Freilassung Nawalnys. Bis es soweit sei, solle er die notwendige medizinische Pflege und einen Arzt seiner Wahl erhalten, hieß es in einer am Donnerstag verabschiedeten Resolution. Dass Nawalny bisher offensichtlich keine angemessene medizinische Versorgung erhalte, könne Fragen bezüglich seines Rechts auf Schutz vor unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aufwerfen, hieß es. Ein Team aus dem Europarat solle sich Nawalnys Haftbedingungen vor Ort ansehen. Die Parlamentarische Versammlung verwies in ihrer Resolution auf vorherige Forderungen zur Freilassung Nawalnys aus dem Europarat - etwa vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Dessen Anordnung vom Februar sei für Russland verbindlich.

Bei Demonstrationen von Nawalny-Anhängern gab es am Mittwoch tausende Festnahmen. Laut dem Bürgerrechtsportal ovdinfo.org wurden bei den nicht genehmigten Demos in insgesamt fast 100 russischen Städten mehr als 1.700 Menschen festgenommen. Menschenrechtler kritisierten das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Zwar habe es bei den Kundgebungen am Mittwoch weniger Polizeigewalt gegeben als bei den Aktionen Anfang des Jahres, teilte die Organisation Human Rights Watch am Donnerstag mit. „Doch das harte Vorgehen der Behörden gegen die Versammlungsfreiheit ist völlig ungerechtfertigt.“

Auch Amnesty International forderte die sofortige Freilassung aller Personen, die „wegen der Ausübung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert wurden“ sowie von Nawalny selbst. Die Chefin des Amnesty-Büros in Moskau, Natalja Swiagina, berichtete in einer Aussendung am Donnerstag von „exzessiver Gewaltanwendung“ bei den Demonstrationen vom Mittwoch.

Der Kreml wollte die Aktionen nicht kommentieren. Das sei vielmehr Thema des Strafvollzugs, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Die Proteste seien illegal gewesen. Indes sagte die Menschenrechtsbeauftragte der russischen Regierung, Tatjana Moskalkowa, die Haftbedingungen Nawalnys und die medizinische Versorgung entsprächen internationalen Standards. „Es wurde nicht festgestellt, dass Nawalny brutal oder grob behandelt wurde“, sagte sie. Er könne wie andere Häftlinge acht Stunden ununterbrochen schlafen. „Es gab keine erzwungene Unterbrechung des Schlafs.“ Nawalny hatte von Foltermethoden gesprochen, weil ihn Gefängniswächter nachts stündlich weckten.

Vor den Demonstrationen hatte die Polizei mehrere Nawalny-Unterstützer festgenommen und Büroräume seiner Mitarbeiter durchsucht. Für besondere Empörung sorgte das Vorgehen gegen Nawalnys Pressesprecherin Kira Jarmysch, die laut ihrer Anwältin für zehn Tage in Haft muss. Ihr werde vorgeworfen, im Internet zu den nicht genehmigten Protesten aufgerufen zu haben - obwohl sie seit Wochen im Hausarrest sitze und dort gar keinen Zugang zum Internet habe.