Neue Meldestelle gegen Angriffe auf Journalisten

Das journalistische Arbeiten ist nicht zuletzt durch das Auftreten militanter Coronaleugner zuletzt auch in Österreich vermehrt Angriffen ausgesetzt. Am Montag, dem offiziellen Tag der Pressefreiheit, nutzen deshalb viele Proponenten aus Medien und Politik die Gelegenheit, auf die gesteigerte Bedrohungslage und die daraus resultierenden Gefahren für die Demokratie aufmerksam zu machen. So gab der Presseclub Concordia die Einrichtung einer Onlinemeldestelle bekannt.

In Kooperation mit den Experten des Vereins ZARA (Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit) hat man ein Meldetool entwickelt, bei dem Betroffene, aber auch Beobachterinnen und Beobachter von Attacken auf Journalistinnen und Journalisten diese Vorfälle anonym bekanntgeben können. Dabei geht es sowohl um Online- wie Offlinevorkommnisse. „Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten sind ein Angriff auf die Pressefreiheit“, unterstrich dazu Concordia-Generalsekretärin Daniela Kraus bei der Präsentation der neuen Meldestelle am Montag. Hier trüge sowohl die Zivilgesellschaft wie die Politik eine Verantwortung, die allerdings vielfach noch nicht gesehen werde. So geben bei einer aktuellen, repräsentativen Gallup-Umfrage 62 Prozent an, dass ihnen die Bedrohungslage für Medienvertreterinnen und -vertreter nicht bewusst sei, so Kraus. Auch das solle die neue Meldeoption ändern. Spätestens in einem Jahr will man eine erste Bilanz ziehen.

Die Bedeutung der Dokumentationsarbeit betonte auch ZARA-Geschäftsführerin Caroline Kerschbaumer: „Damit können wir das Bewusstsein für Einschüchterungsversuche von JournalistInnen schärfen.“ Denn jedem und jeder müsse klar sein, dass durch die Gefahr einer Gewöhnung an Hasssprache auch die Gegenwehr sinke: „Hass im Netz kann ganz direkte Auswirkungen auf die Offline-Welt haben.“

Dass die Situation sich hier zuletzt massiv verschlechtert habe, schilderte Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats: „Einschüchterungen in der Berichterstattung sind mittlerweile an der Tagesordnung. [...] Wenn wir nicht mehr frei berichten können, ohne Angst um unsere Gesundheit zu haben, dann läuft etwas sehr falsch in Österreich“, stellte Bornemann klar. Mittlerweile seien ORF-Teams bei Anti-Coronademos nur mehr durch Freiwillige besetzt, hätten Sicherheitsschulungen mit einem Deeskalationsexperten hinter sich und seien ohne ORF-Logo im Einsatz. „Es ist ein Problem, wenn normale journalistische Arbeit plötzlich zur Mutprobe wird“, so Bornemann.

Die Mitglieder des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) haben den Tag der Pressefreiheit indes mit einer gemeinsamen Titelseitengestaltung samt der Schlagzeile „Was wäre, wenn es nur eine Meinung gäbe?“ begangen. „Dass Meinungs- und Pressefreiheit nicht als selbstverständliches, unantastbares Grundrecht gesehen wird, und auch in Mitteleuropa immer wieder Bedrohungen ausgesetzt ist, zeigen die Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten bei sogenannten Corona-Demos in Deutschland und Österreich“, betonte in einer Aussendung VÖZ-Präsident Markus Mair. Zugleich sei die Unabhängigkeit der Presse aber auch durch Tech-Plattformen bedroht, die einen Gutteil des digitalen Werbegeschäfts aus Österreich abzögen. „Zur Zukunftssicherung österreichischer Inhalte braucht es eine Anpassung der finanziellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen“, forderte Mair.

Der Österreichische Journalist*innen Club (ÖJC) betonte in einer Stellungnahme, dass Pluralismus in den Medien auch bedeute, dass Medien erhalten werden müssten und forderte von der Bundesregierung eine Bestandsgarantie für die „Wiener Zeitung“. Zugleich verlangt man eine „moderne Form der Presseförderung“, die auf Entscheidungen von unabhängigen Fachkommissionen beruhe. „Pressefreiheit ist ein hohes Gut“, so ÖJC-Präsident Oswald Klotz.

Und auch die zuständige Gewerkschaft GPA beschied in einem Statement: „In Österreich selbst ist es um die Pressefreiheit weiterhin nicht zum Besten bestellt.“ Journalistinnen und Journalisten sähen sich direktem und indirektem Druck ausgesetzt, so die beiden Gewerkschafter Eike-Clemens Kullmann und Stefan Jung: „Um mit qualitätsvollem, kritisch hinterfragendem Journalismus dagegen halten zu können, diesen zu stärken und damit einen wichtigen Grundpfeiler einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft abzusichern, braucht es endlich eine Neuausrichtung der Medienförderung mit klar definierten Qualitätsstandards.“

Via Twitter äußerte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum Thema: „Pressefreiheit und starke, unabhängige Medien sind wesentliche Pfeiler unserer liberalen Demokratie.“ Die Bundesregierung bekenne sich „uneingeschränkt“ zur Presse- und Medienfreiheit, so der Kanzler, der auch Angriffe auf Medienvertreter im Zuge der europaweiten Coronademos thematisierte. „Für uns ist klar: Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten ist in jeder Form inakzeptabel und zu verurteilen.“ Medien würden besonders in unsicheren Zeiten einen wesentlichen Beitrag leisten, „um Desinformation und Verschwörungstheorien entgegenzuwirken und tragen dadurch eine große Verantwortung“.

Die Grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger erinnerte ebenfalls an die vielseitigen Bedrohungslagen im Journalismus, die sich durch die Pandemiejahre gesteigert hätten - im In- wie im Ausland: „Auch in Österreich haben gewalttätige Übergriffe von Coronaleugner*innen und Verschwörungserzähler*innen auf die freie Presse schmerzhaft vor Augen geführt, wie fragil der Schutz von Grundrechten ist.“ Bausteine für die Politik seien etwa die Umsetzung des Transparenzgesetzes, die Verankerung von Qualitätskriterien in der Medienförderung oder der Kampf gegen gezielte Desinformation.

Unterdessen forderte SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried eine Erhöhung der Presseförderung und klare Regeln für Regierungsinserate, um die Unabhängigkeit der Medien in Österreich zu stärken. Daran habe die türkis-grüne Regierung allerdings kein Interesse, was auch für die Zukunft der „Wiener Zeitung“ gelte.

Die NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter attackierte aus Anlass des Pressefreiheitstages das PR-Budget der Bundesregierung. „Dies und auch das offensichtliche Streben von Kanzler Kurz nach Gefälligkeitsjournalismus, zeigen die Baustellen im Bereich der Pressefreiheit und Medienförderung.“

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