Tiroler Zusammenarbeit mit HG Pharma weiter im Visier
Dass das Land Tirol den Auftrag über die Abwicklung von PCR-Tests im Umfang von knapp acht Millionen Euro direkt und und ohne Ausschreibung der Wiener Firma HG Pharma erteilt hatte, steht weiter in der Kritik. Der „Standard“ stellte nunmehr den Verdacht in den Raum, dass seit November „keine oder fachlich nicht richtige Tests geliefert wurden“. Das Land sah hingegen keinerlei Ungereimtheiten bei der labortechnischen Befundung sowie der Auftragsvergabe.
Von ersterem war aber im „Standard“-Bericht die Rede. Es könne derzeit nicht belegt werden, ob rund 220.000 PCR-Tests von September bis Ende März fachlich richtig analysiert wurden. Einer der Gründe: HG Pharma habe von einer Partnerfirma seit Ende November - nach der Beendigung der Zusammenarbeit - kein Material mehr erhalten. Gänzlich anders hingegen die Darstellung des Landes: Es gebe bisher „keinerlei Anhaltspunkte oder Auffälligkeiten, die an den gelieferten Ergebnissen zweifeln lassen“, hieß es auf APA-Anfrage. Man verwies unter anderem auf drei voneinander unabhängige Qualitätsüberprüfungen der HG Pharma GmbH in den vergangenen Monaten - durch das Department für Innere Medizin der Universitätsklinik Innsbruck, dem Department für Innere Medizin der Universitätsklinik Innsbruck und der Gesellschaft für Qualitätssicherung und Standardisierung. „Alle Überprüfungen gaben keinen Anlass, an der Qualität des Labors zu zweifeln“, erklärten die Verantwortlichen.
Hinsichtlich der weiteren medialen Vorwürfe habe er jedoch den „Auftrag erteilt, genauere Erhebungen zu machen“, ließ LH Günther Platter (ÖVP) bei einer Pressekonferenz zum Thema Bundesheer zu Mittag wissen. Der Landeschef erinnerte daran, dass bezüglich der PCR-Tests auch ein Rahmenbeschluss des Landtags vorliegt und daraufhin der Einsatzstab und das Justiziariat mit der Abwicklung des Auftrags beauftragt wurde. Er gehe davon aus, dass dabei auch die Lizenz der Firma durch das Justiziariat geprüft worden sei. Corona-Einsatzstab Leiter Elmar Rizzoli konnte ebenfalls bis dato keine Ungereimtheiten bei der Befundung ausmachen: „Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist“.
Aus dem Innsbrucker Landhaus wurde der Ball zudem auch an das Gesundheitsministerium in Wien weitergespielt. Denn dieses habe HG Pharma „nach erfolgter Validierung auf die Liste der fachärztlich geführten humanmedizinischen Labore gesetzt“. Dementsprechend sei das Labor auch vom Land Tirol für Leistungen herangezogen worden.
Der „Standard“ holte unterdessen einige Verwerfungen aufseiten des Unternehmens HG Pharma vor den Vorhang. So habe deren Tochterfirma HG Lab Truck GmbH mit Sitz in Kirchberg in Tirol nämlich das Salzburger Unternehmen Procomcure Biotech als Tochterfirma aufgewiesen. Das Unternehmen habe der Wiener Urologe und HG Pharma-Chef Ralf Herwig als seinen Partner ausgegeben und von diesem habe auch das Konzept gestammt, welches das Land letztlich überzeugte. Doch Procomcure Biotech habe die Zusammenarbeit mit Herwig bzw. HG Lab Truck bereits im November eingestellt - zuvor war im September der Tiroler Auftrag erfolgt. Die Tochterfirma habe laut den Salzburgern die Rechnungen nicht bezahlt, weshalb man die Zusammenarbeit beendete. Mittlerweile sei eine Klage mit Forderungen in Millionenhöhe gegen Herwigs Firma anhängig. Es sei zudem die Frage offen, wer die PCR-Tests befundet hatte. Dazu bedürfe es eines Facharztes, der Herwig - da Urologe - nicht sei.
Herwig selbst dürfe laut dem Bericht nicht mehr als Arzt praktizieren, wie die Ärztekammer bestätigt habe. Aufgrund einer von der Disziplinarkommission für Wien verhängten einstweiligen Maßnahme sei er derzeit nicht zur ärztlichen Berufsausübung berechtigt. Auch sonst hat der HG Pharma-Chef derzeit mit allerlei Kalamitäten zu kämpfen: Am Freitag muss er sich am Wiener Straflandesgericht wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung mit Dauerfolgen und des schweren Betrugs verantworten. Er soll zwischen 2013 und 2017 fünf Männer, die sich wegen Erektionsproblemen zu ihm in Behandlung begeben hatten, falsch diagnostiziert und in weiterer Folge bei den Patienten gefäßchirurgische Eingriffe vorgenommen haben, die nicht dem Stand der Wissenschaft entsprachen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Causa HG Pharma schlug unterdessen auch landespolitische Wellen. Die Opposition schoss sich erwartungsgemäß auf die schwarz-grüne Landesregierung und speziell Landeshauptmann Platter ein. Die Liste Fritz sprach in einer Pressekonferenz von einem „politischen Skandal ersten Ranges“. Platter solle endlich aufklären oder den Hut nehmen. „Eine einfache Suche bei Google hätte gezeigt, dass man dieser Firma keine öffentlichen Aufträge geben darf“, meinte indes FPÖ-Chef Markus Abwerzger. Sollte es zu Fehltestungen gekommen sein, seien personelle Konsequenzen geboten. NEOS-Justizsprecher Abg. Johannes Magreiter zeigte sich „fassungslos“: „Es ist zu befürchten, dass durch das fahrlässige Vorgehen des Landes die Datenlage zur Berechnung der Inzidenzwerte unbrauchbar war. Dennoch wurden auf Basis dieser Inzidenzwerte viele freiheitsbeschränkende Maßnahmen angeordnet“.
Einmal mehr auch im Fokus der oppositionellen Kritik: Die Auftragsvergabe ohne Ausschreibung und die dahinter vermutete „Freunderlwirtschaft“. Doch auch dahingehend blieb das Land bei seiner Argumentationslinie und verwies auf die Dringlichkeit der damaligen Pandemie-Situation. Die Beschaffung der Leistungen sei „aufgrund äußerst dringlicher und zwingender Gründe“ erfolgt. Der Vertrag mit HG Pharma läuft noch bis Ende Juni.