Albertina modern entführt nach „Wonderland“

Auf wen oder was man in einem Wunderland gerne treffen würde, ist wohl Geschmackssache. Die Albertina modern packt in ihrer neuen und erst dritten Schau „Wonderland“ viele Entwürfe unter einen Hut. So sind in der 110 Werke fassenden Ausstellung zeitgenössischer Kunst sowohl Utopie als auch Dystopie, Pop Art wie expressionistische Malerei und Werke der Künstlergruppe Gelatin, aber auch Fotografien von Gottfried Helnwein zu sehen.

„‘Wonderland‘ ist keine Ausstellung, es ist eine Schausammlung von Kunstwerken nach 1945“, erklärte Klaus Albrecht Schröder, Generaldirektor der Albertina, am Freitag vor Journalisten. Das sei insofern von Relevanz, als es bisher noch keine Schausammlung von Gegenwartskunst in Österreich gegeben habe, was mitunter auch an mangelndem Platz liegen könne. „Mir tut das leid“, so Schröder.

Die Schau setzt sich aus dem Sammlungsbestand der Albertina zusammen, in etwa ein Drittel der ausgestellten Werke entstammt der Essl-Sammlung. Die Ausstellung ist einerseits an den Titel eines großformatigen, quietschbunten, sowohl winzige Katzen und Hunde als auch Blüten und Buchstaben enthaltenden Bildes von Fiona Rae im Eingangsbereich angelehnt. Andererseits liegt natürlich der Verweis auf das berühmte Buch „Alice in Wonderland“ von Lewis Carroll auf der Hand. Dieses könne, wie Schröder zuletzt anhand zweier Verfilmungen feststellen konnte, als Märchen, aber sehr wohl auch als dystopische Horrorwelt gedeutet werden.

Die Besucher bekommen das und mehr geboten. In „zumindest sieben Themenbereichen ohne Chronologie“ existieren widersprüchliche Fantasiewelten nebeneinander. Ein Raum ist etwa der „Anarchie der Kunst“ gewidmet. Er enthält „blasphemische“ Werke von der Künstlergruppe Gelitin (vormals Gelatin), die etwa die Mona Lisa von Leonardo da Vinci als „grotesk-verzerrtes Monster mit Glupschaugen und langer Nase“ interpretieren, wie es Angela Stief, Chefkuratorin der Albertina modern, treffend in Worte zu kleiden wusste. Auch eine Sitzskulptur von Franz West in Form eines ins Riesenhafte vergrößerten menschlichen Exkrements findet sich in diesem anarchischen Teil der Schau.

In einem Raum gegenüber, der sich der „Melancholie der Einsamkeit“ widmet, ist Malerei von Christian Brandl und dem Künstlerduo Markus Muntean und Adi Rosenblum ausgestellt. Werke von Letzteren zeigen Jugendliche auf verlassenen Plätzen, die trotz aller physischen Nähe zu anderen voneinander isoliert sind. Brandl schafft es hingegen mit seinem Werk „Abend“, auf dem eine Frau beim Decken eines Tisches zu sehen ist, das Thema des Raumes trefflich einzufangen.

In einem zentralen Raum findet sich wiederum Pop-Art von Künstlern wie Andy Warhol und Roy Liechtenstein. Aber auch die Neo-Pop-Bewegung ist mit einem in der Mitte des Raumes ausgestellten kopulierenden Skelettpaars aus patinierter Bronze von Marc Quinn vertreten. Körpergefühlsbilder von Maria Lassnig werden in einem weiteren Teil der Ausstellung mitunter auf den Kopf gestellten Motiven von Georg Baselitz gegenübergestellt.

Auch das derzeitige Lieblingswerk von Schröder, der die Schau selbst kuratierte, findet sich im „Wonderland“: ein unbetiteltes Gemälde von Jörg Immendorf aus dem Jahre 2006. Es zeigt eine Szene in einem dunklen Raum von Immendorffs Reeperbahn-Lokal La Paloma. Dabei spielt Künstler Marcel Duchamp Schach gegen seine Lebensgefährtin. Der Maler Max Beckmann sieht ihnen dabei zu. Rechts sitzt Adolf Hitler am Tisch des Wiener Obdachlosen-Asyls. Im nächsten Augenblick wird ihm der Performance-Künstler Nam June Paik mit einer Violine den Schädel zertrümmern. Auch abseits dieser skurrilen Versammlung weiß Schröder „viele Werke in dieser Ausstellung sehr zu schätzen“.

Weit weniger zu schätzen weiß er, dass weiterhin von einer „Kultur-Öffnung“ am 19. Mai die Rede sei: „Es trifft uns extrem, dass Kultur so stark über Oper und Burgtheater definiert wird.“ Dass die Museen bereits seit 3. Mai wieder geöffnet haben, dringe „nicht wirklich durch“. Um nicht zuletzt darauf aufmerksam zu machen, dass sich Besucher sehr wohl der Kunst in den Museen erfreuen können, verkündete die Albertina am Donnerstag, die Ticketpreise ab Samstag bis inklusive 31. Mai zu halbieren.

)

Verwandte Themen