Italien gewinnt den 65. Eurovision Song Contest

Der nächste Eurovision Song Contest findet in Italien statt: Die italienische Rockformation Måneskin triumphierte am Samstagabend bei der 65. Ausgabe des Musikbewerbs in Rotterdam und holte die ESC-Trophäe zum dritten Mal nach Italien. Måneskin setzte sich in der Ahoy Arena der niederländischen Hafenstadt gegen 25 Konkurrenten durch. Auf Platz 2 landete Frankreich, und der Schweiz mit Platz 3 gelang ein Stockerlplatz.

In einem letztlich engen und bis zum Schluss spannenden Rennen setzten sich die zuvor auch schon bei den Wettbüros knapp auf Platz 1 gesehenen Italiener mit 524 Punkten gegen Barbara Praví aus Frankreich mit 499 und Gjon‘s Tears aus der Schweiz mit 432 Punkten durch. Vor allem das hohe Abschneiden des eidgenössischen Kandidaten war dann im Endeffekt eine Überraschung. Die hohe Platzierung ist allerdings nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Gjon‘s Tears die Jurywertung deutlich für sich entscheiden hatte können.

Måneskin zeigten sich nach ihrem Sieg als entspannter, glücklicher Gewinner. „Eurovision bedeutet ganz Europa eine Menge und ist ein Leuchtturm“, verkündete Frontmann Damiano David mit nacktem Oberkörper und Sektflasche in der Pressekonferenz: „Wir glauben, dass das gesamte Event ein Aufatmen für Italien bedeutet.“ Das Gefühl, als Erster von der ESC-Bühne gegangen zu sein, sei einfach unbezahlbar: „Es fühlt sich an, als würde unser ganzer Weg seit unserem Beginn Sinn machen. Und es ist einfach auch verdammt spaßig!“

Direkt erfreut über den Umstand, dass man bei den Jurys weit weniger hoch gewertet war als vom Publikum zeigte sich Bassistin Victoria De Angelis: „Der Fakt, dass so viele Menschen für uns gestimmt haben, hat viel mehr Wert als eine Jury - no offence.“

Österreichs Kandidat Vincent Bueno war mit seinem Song „Amen“ bereits im 2. Halbfinale am Donnerstag aus dem Tournament ausgeschieden, das heuer unter dem zur aktuellen Coronalage passenden Motto „Open Up“ (also „Mach auf“ oder „Öffne Dich“) stand.

Was sind die Erkenntnisse aus dem ESC 2021? Sharing is Caring war bei vielen Beiträgen das Motto. Und so teilten sich offenbar die Interpretinnen aus Zypern, Albanien und Moldau das Kleid, und die serbischen Sängerinnen des Trios Hurricane den Schönheitschirurgen. Und Swarovski hat augenscheinlich Ausverkauf gehabt - so viel Glitter auf den Kleidern sah man zuletzt beim Life Ball. Im Gegenzug stand die Frauenselbstermächtigung bei einigen Beiträgen im Zentrum, wie etwa in jenem von Russland („Russian Woman“) und Malta („Je Me Casse“), während bei vielen der männlichen Frontleute der androgyne Plateauschuh fröhliche Urständ feierte. Also auch hier ist vieles im Fluss und divers.

Was sonst noch? Deutschland macht inklusive eines ausgestreckten Mittelfingers auf der Bühne mittlerweile Beiträge, die ausschauen, als kämen sie aus Moldau, während Moldau Beiträge konzipiert, die aussehen, als kämen sie aus Griechenland, während die Griechen keine Sirtakielemente mehr in ihren Nummern einbauen. Wer soll sich da noch auskennen? Einzig die Briten bleiben sich treu und liefern für eine große Popnation verlässlich Ausschussware zum ESC. Ebenfalls eher traurig ist die Lage bei den Gastgebern, scheinen die Zeiten amüsanter Moderationen wie einst bei der charmanten Schwedin Petra Mede offensichtlich vorbei. Sie sind einem Stil gewichen, der aus einer Zeit zu stammen scheint, in der es Worte wie „Showmaster“ noch gab. In den höchsten Tönen zu loben gab es da nichts.

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Dabei war der ESC 2021 einer der hohen Töne. Von Israel über Moldau, von Spanien über Griechenland bis zur Schweiz wurde dem Falsett oder dem bis zum Atembruch ausgehaltenen Oberton gefrönt. Zum Schreien. Aber vielleicht ist ja genau das die Gefühlslage des ESC-Volkes nach den Monaten des Darbens in den eigenen vier Wänden. Denn in Summe scheint der ESC-Menschheit nach all den Coronakalamitäten eher der Sinn nach Party als nach Kontemplation zu stehen. Zumindest fanden sich noch selten so viele Up-Tempo- und Partynummern im Contest. Und viele der Balladen - darunter Österreich - wurden in den Halbfinals rausgewählt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bis auf Litauen, das die Freuden des alleine daheim Tanzens pries, kein Beitrag des Tournaments expressis verbis auf Corona reflektierte. Hinter den Kulissen gestaltete sich die Lange indes ganz anders, wurde der ESC 2021 doch im Hochinzidenzgebiet Niederlande als Feldversuch für die Frage angelegt, ob man in Coronazeiten derartige Großveranstaltungen abhalten kann.

Über 25.000 Tests wurden im eigenen Testzentrum durchgeführt, wobei nicht einmal zwei Dutzend positive Fälle gefunden wurden - darunter allerdings durchaus prominente. Betroffen waren etwa ein Bandmitglied aus Island, weshalb Daði og Gagnamagnið nur mit einem Probenvideo und nicht live vertreten waren, ein Teammitglied aus Polen oder der ESC-Sieger 2019, Duncan Laurence, der seinen Liveauftritt beim Finale ebenfalls streichen konnte.

Nun bleibt die spannende Frage, was die Ergebnisse fünf Tage später zeigen, wenn die im Finale zugelassenen 3.500 im Vorfeld getesten Zuschauer, die sich dafür ohne Abstand und Mundschutz in der Halle aufhalten konnten, abermals zum Test antreten müssen. Dann werden etwaige Cluster erst auffallen. Nicht zuletzt Organisatoren aus anderen Bereichen wie etwa der Fußball-Europameisterschaft blicken also auch nach Ergebnisverkündung mit Spannung nach Rotterdam.

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