G7-Staaten finanzieren mehr als zwei Milliarden Impfdosen
Die G7-Staaten stellen ärmeren Ländern mehr als zwei Milliarden Corona-Impfdosen zur Verfügung. Das geht aus einem Entwurf für ein G7-Gipfel-Kommunique hervor. Der größte Teil soll über die internationale Impfallianz Covax verteilt werden. Die führenden westlichen Industriestaaten und vor allem die EU-Länder stellen dabei den größten Teil der finanziellen Mittel zur Verfügung. Die G7-Staaten einigten sich laut dem Entwurf auch auf einen härteren Kurs gegenüber China.
Allein seit Februar habe es Zusagen für die Finanzierung oder Abgabe von einer Milliarde Impfdosen gegeben, heißt es in dem von der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag eingesehenen Entwurf weiter. Dazu zählen etwa von den USA nun angekündigten 500 Millionen Impfdosen für 2021 und 2022 sowie eine britische Verpflichtung von 100 Millionen Dosen. Anders als die EU erlauben die USA erst jetzt den Export von Impfstoffen.
Die Zahlen variieren unter anderem deshalb, weil viele der über Covax bereits finanzierten Impfdosen nun erst angekauft und ausgeliefert werden können. „Wir arbeiten zusammen mit dem Privatsektor, den G20 und anderen Ländern daran, diese Zahlen in den kommenden Monaten noch zu erhöhen“, heißt es in dem Entwurf. In den G7-Ländern selbst würden bis Jahresende noch 700 Millionen Impfdosen für den Export produziert, davon gehe die Hälfte an nicht G7-Staaten.
Die G7-Staaten fordern nicht wie die USA die Abgabe der Patente von Impfstoffen, unterstützen aber die freiwillige Lizenzierung und eine nicht gewinnorientierte globale Produktion von Corona-Impfstoffen. Die Hilfe für ärmere Staaten in der Corona-Pandemie ist einer der Schwerpunkte bei den dreitägigen Beratungen im britischen Cornwall.
Der britische Ex-Premierminister Gordon Brown kritisierte die Ankündigung der G7-Gruppe scharf, mindestens eine Milliarde Impfdosen gegen das Coronavirus zu spenden. „Dieser Gipfel wird als unverzeihliches moralisches Versagen in die Geschichte eingehen“, sagte Brown am Sonntag dem Sender Sky News. „Als wir elf Milliarden Impfdosen brauchten, haben wir einen Plan für eine Milliarde angeboten bekommen.“ Dabei hätten die reichsten Länder die Macht, etwas zu verändern. Es fehle zudem ein verständlicher Plan, wie die Impfmittel verteilt werden - kurzum, der Gipfel sei eine verpasste Gelegenheit, sagte Brown.
„Wir werden ein riesiges Problem der Spaltung bekommen zwischen den reichsten Ländern, die geschützt sind, und den ärmsten Ländern, die nicht geschützt sind“, sagte Brown, der von 2007 bis 2010 Premierminister war. „Dann aber wird das Problem wieder die reichsten Länder heimsuchen, weil wir dann eine Ansteckungsgefahr haben, die wegen Mutationen und Varianten sogar die Menschen treffen wird, die eigentlich geimpft sind.“
Die G7-Staaten einigten sich laut einem Entwurf der Abschlusserklärung ihres Gipfels auch auf einen härteren Kurs gegenüber China. In der ausgehandelten Passage der Erklärung, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, wollen die G7-Staaten gegen unfaire Handelspraktiken Chinas, dessen Menschenrechtsprobleme und harte Hand in Hongkong vorgehen.
Gleichzeitig wird aber auch das gemeinsame Interesse an einer Kooperation mit China bei globalen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und dem Erhalt der Biodiversität hervorgehoben. Es ist das erste Mal, dass die Kritik an China in einem Abschlusskommuniqué der G7 so deutlich formuliert wird.
So wollen sich die G7-Staaten im Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft „über ein kollektives Vorgehen absprechen, um marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und transparenten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben“, heißt es in dem Textentwurf.
Auch wollen die G7-Staaten „unsere gemeinsamen Werte fördern“. Dazu gehöre, dass China aufgefordert werde, Menschenrechte und fundamentale Freiheiten zu achten, „besonders hinsichtlich Xinjiang und jenen Rechten, Freiheiten und dem hohen Maß an Autonomie, das für Hongkong in den gemeinsamen Erklärung zwischen China und Großbritannien und dem Grundgesetz festgeschrieben ist“.
Damit bezieht sich die G7 auf die Vereinbarungen für die Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 an China, die der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion eigentlich Autonomie und Freiheiten nach dem Motto „ein Land, zwei Systeme“ garantieren. Nach anhaltenden Demonstrationen für mehr Demokratie in Hongkong hat Peking vor einem Jahr aber die Zügel enger gezogen und geht heute mit einem neuen Sicherheitsgesetz scharf gegen Oppositionskräfte vor.
Der Hinweis auf Xinjiang in dem G7-Papier bezieht sich auf den Vorwurf der Verfolgung der Minderheiten in der Nordwestregion, insbesondere der Uiguren. Menschenrechtsgruppen schätzen, dass Hunderttausende Uiguren, Kasachen, Hui oder Mitglieder anderer Minoritäten in Umerziehungslager gesteckt worden sind. China weist die Vorwürfe zurück und spricht von Fortbildungszentren.
China ging unterdessen nach der Konzentration des G7-Gipfels auf ein Gegengewicht zum wachsenden Einfluss der Volksrepublik in die Offensive gegen den Zusammenschluss der führenden westlichen Industrienationen. „Die Zeiten in denen weltweite Entscheidungen von einer kleinen Gruppe von Ländern getroffen wurden, sind lange vorbei“, sagte ein Sprecher der chinesischen Botschaft in London. Alle Staaten, egal ob groß oder klein, stark oder schwach, arm oder reich, seien gleich. „Weltpolitische Angelegenheiten sollten durch Beratungen aller Länder geregelt werden“, betonte der Sprecher am Sonntag.
Die führenden westlichen Wirtschaftsmächte wollen indes nach Angaben Londons künftig jährlich 100 Milliarden US-Dollar (rund 82,5 Milliarden Euro) für die Finanzierung des Klimaschutzes in Entwicklungsländern aufbringen. Eine entsprechende Zusage werde es zum Abschluss des G7-Gipfels in der englischen Grafschaft Cornwall geben, teilte die britische Regierung in der Nacht auf Sonntag mit.
Bei der Konferenz hätten erstmals alle sieben Teilnehmerländer ein Bekenntnis zur Klimaneutralität spätestens bis 2050 abgelegt, hieß es weiter. Zudem sei eine Zusage zu einer knappen Halbierung der Treibhausgasausstöße bis 2030 im Vergleich zu 2010 zu erwarten. Damit sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur UN-Klimakonferenz in Glasgow im November erreicht worden. Zu den anvisierten Maßnahmen gehörten unter anderem der Ausstieg aus der Kohlekraft zum frühestmöglichen Zeitpunkt, ein Ende fast aller direkten staatlichen Förderung für fossilen Energieträger im Ausland und das schrittweise Aus für Autos mit Verbrennermotor.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam kritisierte die Zielsetzungen als nicht ausreichend. Die Pariser Klimaziele könnten damit zwar erreicht werden, doch müssten die G7-Staaten „angesichts ihrer hohen Verantwortung für das Verursachen der Klimakrise und ihres im Weltmaßstab sensationellen Wohlstands (...) deutlich mehr und schneller reduzieren, um für ärmere Länder mehr Flexibilität bei ihrer klimafreundlichen Transformation zu schaffen“, sagte Jörn Kalinski von Oxfam.
Schon jetzt hat sich die Erde um rund 1,2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhitzt. Die fatalen Folgen: Je nach Region gibt es mehr Hitzewellen und Dürren sowie Starkregen, Stürme, Unwetter und Überschwemmungen.