Welt ohne Menschen: Festwochen mit „Das Lied von der Erde“
„Das Firmament blaut ewig, und die Erde / Wird lange fest steh‘n und aufblüh‘n im Lenz / Du aber, Mensch, wie lang lebst denn du?“ - So geht eine der zentralen Textstellen von Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“. „Der Planet wird weiterleben, er braucht uns nicht“, sagt Philippe Quesne. Der französische Regisseur und Bühnenbildner bringt den sinfonischen Liederzyklus für die Wiener Festwochen in einer szenischen Version ins Volkstheater. Premiere ist am Samstag.
Der 51-jährige Direktor des einst von Patrice Chereau geleiteten Theaters Nanterre-Amandiers, dessen multidisziplinären Performances auch die Bühnen im deutschsprachigen Raum erobert haben (bei den Wiener Festwochen waren in den vergangenen Jahren seine Arbeiten „La Mélancolie des Dragons“, „L‘Effet de Serge“ und „Swamp Club“ zu sehen), schließt mit der Arbeit direkt an sein vorjähriges Gastspiel mit „Farm Fatale“ an. In dem Stück übernehmen Vogelscheuchen die Macht, da die meisten Bauern tot sind. Vogelstimmen kommen nur noch vom Tonband. „Es ist eine ökologische Fabel über die große Angst, eine Welt beschädigt und entwürdigt zu sehen, die von Menschen zerstört wird“, erzählte Quesne vor einem Jahr im APA-Interview. „Festwochen-Intendant Christoph Slagmuylder, der meine Arbeit sehr gut kennt, hatte ‚Farm Fatale‘ gesehen und mich am nächsten Tag angerufen. Er hat mir vorgeschlagen, ‚Das Lied von der Erde‘ zu machen, das um eine ganz ähnliche Thematik kreist. Ich habe sofort zugesagt, denn es handelt sich um ein Hauptwerk des 20. Jahrhunderts. Es nimmt eine Sonderstellung in Mahlers Oeuvre ein und ist total zeitgenössisch.“
Für Quesne behandelt der 1908 in einem Südtiroler Bergdorf komponierte, auf Nachdichtungen chinesischer Gedichte der Tang-Zeit (7.-9. Jahrhundert) zurückgehende Zyklus auch auf sublime Weise Fragen von Bedeutung und Funktion von Kunst, mit denen er sich an der Universität Nanterre stark beschäftige. „In meiner Arbeit habe ich viel mit Soziologen und Philosophen zu tun. Wir befassen uns mit den Grenzen, an die wir schon bald stoßen.“ Er lässt keinen Zweifel daran, dass er die Kunst auch als Teil eines Überlebenskampfes am drohenden Ende des „Anthropozäns“ sieht. „Wissenschaft und Kunst hängen heute stark zusammen. Die Kombination macht uns stärker.“
Lange habe er Anfragen für Opern-Inszenierungen abgelehnt, erzählt Quesne. Bei „Usher“ 2018 in der Berliner Staatsoper Unter den Linden sei er erstmals schwach geworden. Einerseits liebe er Edgar Allan Poe, andererseits habe Annelies Van Parys die unvollendet gebliebene Musik von Claude Debussy ergänzt, so dass der Abend eine Uraufführung war. Für „Das Lied von der Erde“, das im Vorjahr eigentlich im Theater an der Wien herauskommen hätte sollen und nun, nach der coronabedingten Verschiebung mit einem Jahr Verspätung im technisch aufgerüsteten Volkstheater realisiert wird, wird vom Klangforum Wien unter Emilio Pomàrico die Kammermusikfassung des 2020 verstorbenen Komponisten Reinbert de Leeuw gespielt. „Im Geiste Schönbergs entlockt die musikalische Reduktion Mahlers Werk intime Wehmut“, heißt es in der Ankündigung. Auch szenisch muss man sich auf Verlangsamung und Reduktion einstellen. Das Sujetfoto der Produktion zeigt leere Theatersitzreihen in der Wüste. Zumindest die Sitzreihen im Volkstheater werden mit Sicherheit nicht leer bleiben. Allerdings werden die Reihen coronabedingt nur locker gefüllt sein. Ab 1. Juli wäre es wieder möglich gewesen, die Kapazitäten ganz auszunutzen - drei Tage nach der letzten Vorstellung.
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