Spanien: Österreich bei Staatsbürgerschaft „extrem streng“
Der SPÖ-Vorschlag zur Neuregelung des Staatsbürgerschaftsrechts ist aus Sicht Spaniens „sehr vernünftig“. Derzeit seien die Bedingungen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft in Österreich nämlich „extrem streng“, sagte die spanische Botschafterin Cristina Fraile am Mittwoch im Gespräch mit Mitgliedern der Vereinigung der Europajournalisten (AEJ) in Wien. „Österreich muss ja nicht Spanien werden“, fügte sie mit Blick auf die liberalen Regelungen in ihrer Heimat hinzu.
Fraile wies darauf hin, dass es ein Verbot der Doppelstaatsbürgerschaft nur in weniger als einem Fünftel der Staaten der Welt gebe. In Spanien sei Doppelstaatsbürgerschaft erlaubt, und für die Staatsbürgerschaft reichen schon fünf Jahre Aufenthalt im Land. Lateinamerikaner können den spanischen Pass schon nach zwei Jahren bekommen, sagte die mit einem Österreicher verheiratete Fraile. „Meine vier Kinder sind Österreicher“, fügte sie hinzu.
„Einen Weg zur Einbürgerung zu eröffnen erleichtert die Integration“, betonte die spanische Diplomatin. Sie verwies diesbezüglich auch auf die Erfahrungen ihrer eigenen Heimat. In Spanien habe sich der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund innerhalb von zwei Jahrzehnten von null auf 13 Prozent erhöht, und dies sei „ohne Integrationsprobleme“ erfolgt, sagte die Diplomatin, die in der Vorwoche bei einer Vorstellungstour auch den Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) in Klagenfurt getroffen hatte. Auf APA-Nachfrage bestätigte Fraile, dass sie mit Kaiser über das SPÖ-Konzept gesprochen hatte.
In der EU-Migrationspolitik sei eine bessere Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern erforderlich, die sich aber nicht nur auf Grenzschutz konzentrieren solle. Es gehe darum, insbesondere afrikanischen Ländern auch wirtschaftliche Perspektiven zu bieten. Die entsprechende Zusammenarbeit müsse „sofort“ beginnen, damit die Afrikaner mehr Hoffnung auf eine wirtschaftliche Zukunft in ihren Heimatländern haben. „Es ist eine Zeitbombe“, sagte Fraile mit Blick auf den sonst höheren Migrationsdruck aus Afrika.
Fraile sprach sich zugleich dafür aus, dass legale Migration in die EU ermöglicht wird. Die EU brauche nämlich Zuwanderung. „Ich habe Karriere gemacht dank einer Migrantin, die sich um meine Kinder gekümmert hat, während ich im Büro war“, veranschaulichte sie.
In der europäischen Debatte über die Regelung der Migration plädierte Fraile dafür, dem Aspekt der Solidarität mehr Aufmerksamkeit zu schenken. In dem derzeit auf dem Tisch liegenden Vorschlag für einen Asyl- und Migrationspakt habe nämlich das Thema der Verantwortlichkeit mehr Gewicht als jenes der Solidarität, sagte die Botschafterin in Anspielung auf das strikte Nein einer Reihe von Mitgliedsstaaten, darunter Österreich, zur Aufnahme von Asylwerbern. Fraile wies diesbezüglich darauf hin, dass die größte Zahl der Asylanträge in Spanien von Menschen aus Lateinamerika gestellt werden. „Sie kommen nicht mit dem Boot, sondern im Flugzeug über andere europäische Länder“, sagte sie.
Eine Frage der „Glaubwürdigkeit“ der Europäischen Union ist für die Diplomatin auch die Annahme des in Österreich von allen Parteien mit Ausnahme der NEOS abgelehnten EU-Mercosur-Handelspakts. Fraile wies darauf hin, dass schon seit Jahren über das Abkommen verhandelt werde. Sollte es weiterhin keine Fortschritte geben, müsste die Frage letztlich von den Staats- und Regierungschefs entschieden werden. Den Klimaschutzargumenten gegen Mercosur kann die Diplomatin wenig abgewinnen. Schließlich würde das Abkommen Länder wie Brasilien näher an das Pariser Klimaabkommen führen. „Oder wollen wir, dass China für den Amazonas verantwortlich ist?“, sagte sie mit Blick auf den bei einem Scheitern des Mercosur-Vertrags stärkeren chinesischen Einfluss in Lateinamerika, obwohl dieses mit Europa viele gemeinsame Werte habe.
Zu den Auswirkungen auf die österreichische Landwirtschaft sagte Fraile: „Mercosur bedeutet einen Hamburger pro Jahr und Person für Österreich. Ist das zu viel für Österreich? Ich glaube nicht.“ Umgekehrt seien die Länder des Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela) wichtige Märkte für alle EU-Staaten. „Wir können garantieren, dass Mercosur auch gut für Österreich sein wird“, betonte sie.
Auf die Frage, wie sie die aktuelle österreichische Europapolitik bewerte, sagte Fraile, sie wolle diesbezüglich „neutral bleiben“. „Es gibt Themen, wo wir uns sehr gut verstehen“, sagte sie etwa mit Blick auf die Frage der Mobilität innerhalb der EU. Schließlich seien beide Staaten sehr stark vom Tourismus abhängig. Ähnliche Positionen würden Madrid und Wien etwa auch bei der Konferenz über die Zukunft der Europäischen Union oder der Erweiterung vertreten. „In anderen Bereichen sind wir nicht der gleichen Meinung“, sagte sie etwa mit Blick auf Österreichs Bündnis mit anderen „frugalen“ Staaten im Ringen um das EU-Mehrjahresbudget. Doch habe man da „trotzdem eine Lösung gefunden“. Daher hoffe sie, dass es auch bei den Themen Migration und Mercosur einen Kompromiss mit Österreich geben könne.