Drei Schuld- und zwei Freisprüche in Wiener Terrorprozess

Am Wiener Landesgericht ist der Prozess gegen fünf Angeklagte, die sich für die radikalislamistische Terror-Miliz „Islamischer Staat“ betätigt haben sollen, mit Schuld- und Freisprüchen zu Ende gegangen. Zwei mutmaßliche Foreign Terrorist Fighters erhielten 6,5 bzw. 4,5 Jahre Haft, der bereits rechtskräftig zu 20 Jahren Haft verurteilte ehemalige „Hassprediger“ Mirsad O. alias Ebu Tejma wurde ohne Strafe schuldig und die beiden Ehefrauen der Erstangeklagten freigesprochen.

Die Urteile, die sich auf den Wahrspruch der Geschworenen begründen, sind nicht rechtskräftig. Neun Stunden haben die Geschworenen beraten, allein die Verlesung der Urteile dauerte zwei Stunden. Der Hauptangeklagte Turpal I. wurde von den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen, in Syrien Gräueltaten begangen zu haben, freigesprochen. Allerdings sind er und der zweite Syrien-Kämpfer schuldig, Mitglied einer terroristischen Vereinigung (Paragraf 278b StGB) und einer kriminellen Organisation (278a StGB) gewesen zu sein. Der frühere Prediger Mirsad O. wurde als Bestimmungstäter - teilweise blieb es beim Versuch - zu terroristischen Straftaten (Paragraf 278c StGB) verurteilt, weil er die beiden Erstangeklagten und einen weiteren Mann dazu gebracht hat, sich dem IS anzuschließen und nach Syrien in den Kampf zu ziehen. Aufgrund seines bereits rechtskräftigen Urteils wurde von einer Zusatzstrafe abgesehen. Zudem wurde ein Syrien-Kämpfer - ein gebürtiger Steirer - vom Wahlrecht ausgeschlossen.

In neun Verhandlungstagen wurden die Geschehnisse seit dem Jahr 2013 aufgearbeitet. Der Vorwurf lautete, dass die beiden Syrien-Kämpfer von dem früheren Islam-Prediger Mirsad O. rekrutiert worden sein sollen, um dann als Soldaten für den IS in das Bürgerkriegsland zu reisen. Den Ehefrauen wurde ein psychologischer Tatbeitrag angekreidet, indem sie in Kenntnis der Syrien-Pläne ihrer Männer diese in die Türkei begleitet und deren Handeln mitgetragen haben. Beide machten in ihren Befragungen deutlich, dass sie sich als Muslima ihrem strenggläubigen Mann nicht widersetzen konnten. Die Frau des Erstangeklagten hat sich mittlerweile von ihm getrennt.

Der Hauptangeklagte, ein gebürtiger Tschetschene, soll mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter Ende August 2013 über die Türkei nach Syrien gereist sein und unter dem Kampfnamen Abu Aische im Bürgerkrieg für den IS gegen das Assad-Regime gekämpft haben - zunächst kurze Zeit in einer bunt zusammen gewürfelten Miliz, dann bis April 2015 in einer aus Tschetschenen gebildeten Kampftruppe, wobei er laut Anklage eine Führungsfunktion innehatte. Die Truppe tat sich laut den Anschuldigungen offenbar durch besondere Grausamkeit hervor. Nach Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft soll Turpal I. in der nordsyrischen Stadt Hraytan die Erschießung von Bewohnern eines Hochhauses sowie drei als Sklavinnen gefangen genommener Frauen angeordnet haben. In Ratyan - einer Kleinstadt nördlich von Aleppo - ließ er laut Anklage zumindest sieben Schiiten mit Messern die Köpfe abschneiden, in der unweit gelegenen Stadt Hayyan soll er sich an ähnlichen Tötungen von Männern und Frauen in einer Wohnsiedlung aktiv beteiligt haben. Von diesen gegen ihn erhobenen Gräueltaten wurde er nun freigesprochen.

Er bestritt das auch stets vor dem Schwurgericht. Turpal I. meinte, er werde verwechselt, er habe in Syrien zwei oder drei Mal das Grab seines Schwagers besucht. Der Tschetschene war 2004 als Flüchtling nach Österreich gekommen und soll auch vom radikalislamistischen „Hassprediger“ Mirsad O. für den IS rekrutiert worden sein. O. , der von Leonhard Kregcjk anwaltlich vertreten wurde, soll mehrere junge Männer dazu gebracht haben, für den IS in Syrien in den Krieg zu ziehen, darunter den zum Islam konvertierte Steirer und einen jungen Tschetschenen, der im Mai 2013 bei Kampfhandlungen ums Leben kam.

Der 32-jährige Steirer war mit 17 zum Islam konvertiert, weil er sich in eine Muslima verliebt hatte. In weiterer Folge radikalisierte er sich, ebenfalls angespornt von den Predigten und Vorträgen von Mirsad O. Im September 2013 reiste er mit seiner Frau und dem gemeinsamen drei Monate alten Sohn an die türkisch-syrische Grenze. Während Frau und Kind in der Türkei blieben, setzte der Mann nach Syrien über, wo er bereits von IS-Kämpfern erwartet, in ein Haus gebracht und mit einer Kalaschnikow ausgestattet wurde. „Ich hab‘ damals nicht gewusst, was Kampfhandlungen bedeuten, was Krieg bedeutet“, schilderte der geständige Angeklagte. Seine ursprüngliche Bereitschaft, für den IS gegen das Assad-Regime zu kämpfen, schwand jedoch rasch, als seine Truppe von Kampfjets bombardiert wurde. „Ich hätte auch tot sein können“, sagte er am letzten Prozesstag. „Von dem Tag an war für mich klar, dass ich so schnell wie möglich raus will.“ An Kampfhandlungen hat er nie teilgenommen.

Indem er vorgab, sich in der Türkei ein Auto besorgen zu wollen, kehrte der damals 25-Jährige zunächst zu Frau und Kind in die Türkei und im Dezember 2013 nach Österreich zurück. „Ich hab‘ einfach Angst um mein Leben gehabt“, räumte der Angeklagte ein. In Österreich hielt er Kontakt zu anderen europäischen IS-Kameraden in Syrien und machte diesen vor, er wolle mehr Geld beschaffen, ein Studium aufnehmen und dann wieder nach Syrien gehen: „Mir war aber klar, dass ich nicht der bin, für den sie mich gehalten haben.“ In weiterer Folge ging der Mann nach Saudi Arabien, um dort zu studieren. Dort habe er sich allmählich „von dieser Ideologie“ gelöst. Die Zeit in Medina habe dazu beigetragen, dass ich heute „normal da sitze, mit einer normalen Einstellung“.

Staatsanwalt Johannes Winklhofer hatte auch die Eltern von Turpal I. wegen terroristischer Vereinigung angeklagt. Der Vater ist allerdings im vergangenen Dezember verstorben, die Mutter dürfte untergetaucht sein - Winklhofer beantragte eine Festnahmeanordnung und die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls, um ihrer habhaft zu werden.

Turpal I. sorgte im Vorfeld des Prozesses für Aufregung, weil er im Mai enthaftet werden musste, da die U-Haft laut Strafprozessordnung (StPO) zwei Jahre nicht übersteigen darf, falls bis dahin keine Anklageschrift eingebracht wurde und keine Hauptverhandlung begonnen hat. Das gilt selbst dann, wenn der Betroffene - wie im vorliegenden Fall - eines Kapitalverbrechens verdächtigt wird, das mit einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist (Paragraf 178 Abs 1 2. Fall StPO). Der 32-Jährige blieb auch nach der Urteilsverkündung auf freiem Fuß, bis die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist, meinte sein Anwalt Florian Kreiner. Der Verteidiger erbat sich nach dem Urteil drei Tage Bedenkzeit.

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