Tunesischer Abgeordneter nach Kritik an Saied festgenommen

In Tunesien ist ein Parlamentsabgeordneter festgenommen worden, nachdem er das Vorgehen von Staatschef Kaïs Saïed als „Militär-Putsch“ bezeichnet hatte. Seine Partei erklärte am Freitag, dass Yassine Ayari vom Sicherheitsteam des Präsidenten und ohne Haftbefehl festgenommen worden sei. Ayaris Frau beschrieb auf Facebook eine „gewaltsame“ Festnahme. Der Präsident hatte am Sonntag die Regierung abgesetzt und das Parlament ausgesetzt.

Der 30-jährige Ayari war in der Vergangenheit bereits als lautstarker Kritiker der Behörden aufgefallen und deshalb mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten. 2015 wurde er wegen Beleidigung der Armee zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. 2018 erhielt er eine dreimonatige Haftstrafe wegen Kritik am Militär.

Präsident Saïed hatte am Sonntag zunächst Regierungschef Hichem Mechichi abgesetzt und die Aussetzung der parlamentarischen Arbeit sowie die Aufhebung der Immunität aller Abgeordneten angeordnet. In den folgenden Tagen feuerte der Präsident weitere ranghohe Regierungsbeamte. Die richterliche Gewalt übernahm er selbst. International löste dies Sorge um die tunesische Demokratie aus. Der Präsident begründet sein drastisches Vorgehen damit, gegen die Korruption im Land kämpfen zu wollen.

Tunesien galt lange als einzige Erfolgsgeschichte des Arabischen Frühlings. Allerdings hat das Land auch zehn Jahre nach dem demokratischen Wandel nicht zu politischer Stabilität gefunden. Aus Sicht vieler Tunesier haben alle neun demokratisch gewählten Regierungen es versäumt, die großen Probleme des Landes anzupacken. Viele beklagen sogar, dass ihre Situation heute schlechter sei als während der autoritären Herrschaft des 2011 gestürzten Langzeit-Machthabers Zine El Abidine Ben Ali.

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