„Dante, Homer und die Köchin“: Der neue Wondratschek

„Kaum wiederzuerkennen die beiden, Homer rasiert, Dante fieberfrei.“ Ein wunderschöner Einstieg in das neue Buch von Wolf Wondratschek. Einer, der wohlig humanistisch Lust macht auf die angekündigte „Komödie“ und mit dem - erwartungsgemäß und am Ende bestätigt - bereits alles gesagt ist. „Dante, Homer und die Köchin“ heißt der neue Band des einstigen literarischen Revoluzzers, der es sich nun mit spitzer Feder bei seinen Kumpels, den alten Meistern, bequem macht.

Wir begegnen dem alten Griechen und dem alten Italiener, den Säulen der europäischen Dichtkunst, irgendwo in Italien, Zeitalter Gegenwart. Sie wohnen dort, gemeinsam, bei Antonella. Eine Signora, die weder lesen noch schreiben, aber kochen kann. Die Unsterblichen sind nicht gestorben, nur freilich sehr alt. Gedichtet haben sie schon lange nicht mehr, und mit dem Denken geben sie sich höchste Mühe, endlich auch aufzuhören. „Ich möchte emigrieren. Aus dem Kopf hinausgehen. Abhauen, eine meiner Hände öffnen und dort leben“, sagt Dante.

Von Fantasien, wie es wohl wäre, wenn Homer und Dante heute leben würden, was sie zu sagen hätten zu unserer Welt, wie sie mit ihr ins Gericht gingen oder wozu sie sie inspirieren würde - davon ist Wondratschek weitgehend frei. Lieber betrachtet er zwei schrullige alte Männer, milde, augenzwinkernd, mit augenscheinlich sehr wenig, aber in Wahrheit sehr viel Ehrerbietung. Ihren spezifischen Blick auf die Welt dichtet er genauso wie er ihn ableitet aus der Kenntnis ihres Werks - eine Kenntnis, die sich in keiner Weise in Szene setzt. Wondratschek schreibt auch das bildungsbürgerlichste Gedankenspiel ganz ohne Dünkel.

Plot gibt es eher weniger als mehr, das weltweite Rätselraten um die plötzlich entdeckten untoten Dichter dringt nur als marginale Belästigung in den Garten der Männerfreunde. Und auch das Denken können sie nicht lassen, aber es beschränkt sich mitunter auf Profanes, zumindest rutscht sie zwischendurch hinein, die Höhenangst, Seekrankheit oder der lästige Husten. Und dann wieder Hochtrabendes, historische Seitenhiebe aus der Umlaufbahn der dichterischen Ewigkeit, manche böse, einige fast schwärmerisch. Die Musik, die Malerei, die Literatur, ein Weltenlauf ganz für sich, der sich in seiner eigenen Satire zur Selbstvergewisserung verhilft.

Die Witwe Joyce berichtet, Shakespeare ruft an, Giotto lässt sich bei der Arbeit zusehen. Alles nur am Rande, weil auch in diesem Wondratschek die Handlung nur eine Ablenkung ist, schnell wieder überwunden, von der launigen Suada, die sich zwischen Wort- und Gedankenschärfe stets fürs Erstere entscheidet. Als Dichter, als Welten- und Zeitenbummler, als Mit-Schöpfer der europäischen Ideengeschichte dürfen Dante und Homer sich anderswo feiern lassen. Hier sind sie Wondratschek-Figuren wie andere auch.

(S E R V I C E - „Dante, Homer und die Köchin. Eine Komödie“ von Wolf Wondratschek. Ullstein Verlag, 240 Seiten, 24,70 Euro)

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