Russland will Beschwerden über Wahl-Verstöße prüfen

Nach massenhaften Beschwerden über erzwungene Stimmabgaben bei der Parlamentswahl in Russland hat die Zentrale Wahlkommission eine Prüfung der Vorwürfe angekündigt. Es gebe aus 45 Regionen des Landes 137 Mitteilungen „über den Zwang zur Stimmabgabe“, sagte Wahlleiterin Ella Pamfilowa. Demnach soll es auch Druck auf Wähler gegeben haben, ihre Stimme in dem neuen Online-Verfahren abzugeben. Unterdessen entfernte Telegram die Wahlempfehlungs-App der Opposition aus seinem Dienst.

Die unabhängige Wahlbeobachterorganisation Golos hatte zahlreiche Videos veröffentlicht, auf denen teils Hundertschaften von Uniformierten und mutmaßlich ganze Belegschaften von Staatsbetrieben in den Wahllokalen zu sehen sind. Die Bilder von den langen Schlangen wurden damit erklärt, dass die Staatsbediensteten am Freitag nach Beginn der dreitägigen Parlamentswahl aufgefordert gewesen seien, ihre Stimme bis Mittag abzugeben.

Die Abstimmung war wegen der Corona-Pandemie allerdings erstmals auf drei Tage angesetzt worden. Das sei nötig, um die soziale Distanz zu wahren. Kritiker vermuten allerdings, dass damit Manipulationen erleichtert werden sollen.

Golos veröffentlichte auch Filmaufnahmen und Fotos davon, wie Wahlurnen packenweise mit Stimmzetteln vollgestopft wurden. Das gilt als eine sehr verbreitete Methode der Wahlmanipulation in Russland. Die Zahl dieser Videos war kaum überschaubar. Zugleich gab es Klagen aus mehreren Teilen Russlands, dass die Kameraüberwachung immer wieder ausfiel. In der Vergangenheit hatten Verantwortliche für die Verstöße bisweilen Ärger mit den Behörden - wegen der Videobeweise.

Diesmal beklagten Beobachter zudem, dass Beschwerdeschreiben einfach zerrissen würden. Wahlleiterin Pamfilowa lud Golos am Samstag zu einem Gespräch über die möglichen Verstöße ein.

Unterdessen entfernte nach Apple und Google auch das Online-Unternehmen Telegram die Wahlempfehlungs-App der Opposition aus seinem Dienst. Unternehmensgründer Pawel Durow erklärte, er habe nach der Entscheidung der beiden US-Unternehmen keine andere Wahl gehabt. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch kritisierte Telegram: „Es ist eine echte Schande, wenn Zensur von privaten Unternehmen betrieben wird, die angeblich die Ideen der Freiheit verteidigen“, schrieb sie auf Twitter.

Die Wahlkommission berichtete zudem von ausländischen Einmischungsversuchen am ersten Tag der Parlamentswahl. Konkret teilte die Behörde am Samstag in Moskau mit, dass am Vortag „drei Cyberattacken“ registriert worden seien, die „von anderen Ländern“ kamen. Die Angriffe seien „ziemlich stark“ gewesen.

Die Wahlen im flächenmäßig größten Land der Erde enden am Sonntag. Bestimmt werden nicht nur die 450 Abgeordneten der neuen Staatsduma. Gewählt werden teils auch neue Regional- und Stadtparlamente. Bei den insgesamt mehr als 4.400 Wahlen werden über 31.000 Mandate neu vergeben.

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