Tag der Entscheidung bei Russlands Parlamentswahl

Bei der Parlamentswahl in Russland ist am Sonntag der Tag der Entscheidung. Mehr als 110 Millionen Menschen sollen die neue Staatsduma wählen. Die Kremlpartei Geeintes Russland hofft erneut auf eine absolute Mehrheit. Doch erhoben unabhängige Wahlbeobachter und die von der Wahl ausgeschlossene Opposition um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny Zweifel an der Fairness des Urnengangs. Es gab Tausende Vorwürfe der Manipulation an den ersten beiden Tagen.

Die unabhängige Wahlbeobachterorganisation Golos listete mehr als 3000 Verstöße am Samstag auf. Die Kommunistische Partei, die einen Stimmenzuwachs wegen der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Kreml-Politik erwartet, beklagte ebenfalls Manipulationsversuche. Sie kündigte Proteste an. Unabhängige Beobachter und Oppositionelle befürchten, dass sich die Kremlpartei mit massenhaftem Betrug einen neuen Wahlsieg sichert.

Es gab seit dem Start der Wahl am Freitag zahlreiche Berichte über erzwungene Stimmabgaben, über das Vollstopfen von Wahlurnen mit packenweise Stimmzetteln sowie über Mehrfachabstimmungen. Wahlleiterin Ella Pamfilowa hatte eine Prüfung der Vorwürfe angekündigt - sie erklärte bereits am Samstag mehr als 6000 Wahlzettel für ungültig. Sie bestätigte auch den Eingang von 137 Beschwerden wegen Drucks auf Wähler, ihre Stimme abzugeben.

Die Wahlbeteiligung wurde am zweiten Tag mit 31,51 Prozent angegeben. Am dritten Tag der Abstimmung in dem flächenmäßig größten Land mit seinen elf Zeitzonen schließen die letzten Wahllokale um 20.00 Uhr MESZ in der Ostseeregion Kaliningrad (früher Königsberg). Vergleichsweise rasch werden danach etwa die Ergebnisse der erstmals abgehaltenen Online-Abstimmung erwartet. Auch der russische Präsident Wladimir Putin hat online abgestimmt. Die Wahl ist ein wichtiger Stimmungstest für den Kremlchef.

Gewählt werden teils auch neue Regional- und Stadtparlamente. Bei den insgesamt mehr als 4400 Wahlen werden über 31 000 Mandate neu vergeben. Viele prominente Oppositionelle haben keine Zulassung zu den Wahl erhalten. Der im Straflager inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny rief deshalb zu einer Protestwahl gegen die Kremlpartei Geeintes Russland auf.

Zum Haupttag der Abstimmung am Sonntag sperrte auf Druck der Behörden in Moskau auch die Videoplattform Youtube einen Film von Nawalnys Team mit einem Wahl-Aufruf. Das Video enthielt Namen von Kandidaten, die von der Opposition als Wahlempfehlung gegeben werden. „Das ist ein grober Akt der Zensur“, kritisierten die Kremlgegner nach der Entscheidung von Youtube. „Das ist jammerschade“, sagte Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow am Samstagabend. Das Video sei wegen „Extremismus“ gesperrt worden. Es habe aber nur 225 Namen von zugelassenen Kandidaten enthalten.

Auf Twitter liefen die Wahlempfehlungen noch weiter. Nawalnys Team ruft die Wähler zu einer „schlauen Abstimmung“ auf, um das Machtmonopol der Kremlpartei zu brechen. Die Aktivisten nannten konkrete Namen von Bewerbern anderer Parteien, für die gestimmt werden sollte. Darunter sind auch viele Kommunisten. Die russischen Behörden hatten das als Einmischung in die Wahl kritisiert und betont, dass Agitation während der Abstimmung verboten sei.

Bereits am Freitag hatten die IT-Riesen Google und Apple aus ihren russischen Stores Nawalnys Apps entfernt. Am Samstag teilte auch Telegram-Gründer Pawel Durow mit, er habe die Bots zu Nawalnys Wahlsystem blockiert. Das Team des Kremlgegners zeigte sich enttäuscht, dass die Internetriesen vor den russischen Behörden kuschten. In Russland sind viele Internetseiten mit regierungskritischen Inhalten gesperrt. Gerichte in Moskau hatten gegen die Konzerne in mehreren Prozessen Geldstrafen verhängt.

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