Mordprozess nach Brandanschlag auf Trafikantin gestartet
Mit 25-minütiger Verspätung hat am Donnerstag am Wiener Landesgericht der Mordprozess gegen einen 47-jährigen Mann begonnen, der am 5. März 2021 aus Eifersucht seine Ex-Partnerin in einer Trafik in der Nussdorfer Straße mit einem halben Liter Benzin übergossen und angezündet haben soll. Danach hatte er das Geschäft versperrt und war geflüchtet. Der Angeklagte bekannte sich „nicht schuldig“.
Die Verhandlung ist auf zwei Tage anberaumt. „Es geht nur darum, die Wahrheit zu sagen“, sagte der Mann zu Beginn der Verhandlung.
Der 47-Jährige - ein ursprünglich aus Ägypten stammender Mann - hatte nach seiner Festnahme erklärt, er habe seiner Ex-Freundin einen „Denkzettel“ verpassen wollen. Die 35-Jährige, die sich vor ihrem eifersüchtigen Ex-Freund gefürchtet hatte und zu ihrem Schutz sogar einen Privatdetektiv engagiert hatte, erlag Anfang April in einem Spital ihren schweren Verletzungen.
Dem Angeklagten drohen im Fall eines Schuldspruchs zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Ausschlaggebend dafür war das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann, der den Mann zwar als zurechnungsfähig, aufgrund einer schwerwiegenden kombinierten Persönlichkeitsstörung mit sadistischen, narzisstischen und zwanghaften Zügen aber als hochgefährlich eingestuft hatte.
„Er zündete sie an, weil es ihm nicht genug war, sie zu erschlagen oder zu erdrosseln“, hielt Staatsanwältin Susanne Schneider in ihrem Eröffnungsvortrag fest. Der Mann habe die Frau, mit der er eine On-Off-Beziehung führte, „auslöschen“ wollen. In Richtung der Geschworenen betonte die Anklägerin, die Tat sei „außergewöhnlich“. Das gesamte Tatgeschehen sei auf Video dokumentiert - in der Trafik war eine Überwachungskamera installiert. „Sie werden die grausigen Bilder nicht so schnell vergessen“, warnte die Staatsanwältin die Laienrichter. Zum Vorgehen des Angeklagten bemerkte die Anklägerin: „Meine Worte schaffen es nicht, die Brutalität und die Vehemenz des Angriffs zu beschreiben.“
„Er ist ein hilfsbereiter Mann, der alles getan hat, um seine Freundin zu unterstützen“, hielt dem Verteidiger Michael Schnarch entgegen. Sein Mandant sei „kein Monster“. Die Beziehung zur 35-Jährigen habe den Angeklagten „emotionell zerstört“. Dieser habe die Beziehung retten wollen, das sei ihm nicht gelungen. Der Angeklagte habe die Tat „nicht geplant und nicht gewollt“. „Sie werden kein Monstrum hören, sondern einen weichen Menschen“, kündigte Schnarch an.
Laut Anklage war die Beziehung des gebürtigen Ägypters zur später Getöteten von dessen Eifersucht und Kontrollzwang geprägt. Er hatte in der Trafik ein Abhörgerät installiert, um ihre Gespräche am Arbeitsplatz überwachen zu können. Auch ihr Handy soll der vorbestrafte Mann - er hatte seine Ex-Frau geschlagen und bedroht und war dafür im November 2018 wegen Körperverletzung und Nötigung verurteilt worden - durchforstet haben. Der Anklage zufolge hatte die Trafikantin öfters Angst, nach Hause zu gehen, weil sie sich von ihrem gewaltbereiten Partner fürchtete. Die Hausbesorgerin soll der 35-Jährige geraten haben, den 47-Jährigen endgültig zu verlassen.
Als er die Nummer eines ehemaligen Arbeitskollegen auf dem Handy seiner Partnerin fand, habe sich der Angeklagte „ausgenutzt“ gefühlt, so die Staatsanwältin. Aufgrund des installierten Abhörgeräts bekam der 47-Jährige schließlich mit, dass seine Freundin einen Detektiv engagiert hatte. Laut Anklage teilte er ihr darauf hin zwei Tage vor der Tat mit, sie mache ihn „narrisch, bis ich dich verbrenne in deinem Geschäft“. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits vier Liter Benzin gekauft und zu Hause in kleine Fläschchen abgefüllt.
Am 5. März traf die 35-Jährige den Detektiv in ihrem Geschäft. Der Angeklagte hörte mit, wie die Frau diesem gegenüber die „endgültige Trennung“ von ihrem Partner in den Raum stellte. Der Detektiv empfahl, einen Peilsender am Auto des 47-Jährigen anzubringen, weil sich die Frau vor der Reaktion des Ägypters fürchtete. Darauf hin habe der 47-Jährige „eine Riesenwut“ bekommen und sei schnurstracks mit Benzin zur Trafik gefahren, schilderte de Staatsanwältin das weitere Geschehen.
Die 35-Jährige wurde vom Angeklagten zu Boden geschlagen. Er schlang ein Kabel um ihren Hals und drosselte sie - laut Anklage zwei Minuten lang. Er goss Benzin auf den Körper der Frau und zündete sie an. Dann verließ der 47-Jährige die Trafik, wobei er das Geschäft hinter sich abschloss.
Zwei Passanten bekamen die Flammen im Inneren mit und zertrümmerten mit einem Einkaufswagen die Glastür. Den alarmierten Rettungskräften gegenüber war die 35-Jährige noch in der Lage, das Erlebte kurz zu schildern und den Namen des vom Tatort Geflüchteten zu buchstabieren.
Die lebensgefährlich Verletzte wurde in einem Spital intensivmedizinisch behandelt. Wochenlang kämpften die Frau und die Ärzte um das Leben der 35-Jährigen, ein Arm und ein Bein mussten ihr amputiert werden. Am 3. April starb die Frau an einem Multiorganversagen infolge der erlittenen Brandwunden. „Sie hat den Kampf nach 30 Tagen Schmerz und Leid verloren“, bemerkte dazu die Staatsanwältin.