Polen verlängert Ausnahmezustand an Grenze zu Belarus
Angesichts eines anhaltenden Zustroms von Migranten hat das polnische Parlament den Ausnahmezustand an der Grenze zum Nachbarn Belarus (Weißrussland) um zwei Monate bis Ende November verlängert. Die Abgeordneten des Sejm stimmten damit am Donnerstagabend zum zweiten Mal einer Verlängerung um 60 Tage zu. Zuvor hatte Präsident Andrzej Duda einen entsprechenden Antrag gestellt.
Die Führung um den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko warf dem Nachbarland am Freitag „Desinformation“ vor. Der Grenzschutz in Minsk behauptete, in Polen seien Schlepperbanden im Einsatz, weshalb dort auch der Zugang zur Grenze gesperrt sei. Dazu veröffentlichte die Behörde Videos.
Während der Debatte am späten Donnerstagabend im Sejm berichtete Paweł Soloch, Chef des Nationalen Sicherheitsbüros, dass allein im September fast 7.000 Migranten versucht hätten, die Grenze in diesem Bereich illegal zu überqueren. Im September des Vorjahres seien es rund 120 gewesen. Mit seiner Entscheidung zur Verlängerung des Ausnahmezustands solle dem „vom belarussischen Regime orchestrierten Druck zur Destabilisierung der EU“ entgegengewirkt werden, heißt es in einem Tweet des Sejm.
Der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak teilte mit, der Grenzschutz werde von 2.400 Soldaten unterstützt. Allein seit August hat es nach Behördenangaben mehr als 10.000 Versuche eines illegalen Grenzübertritts gegeben. 1.500 Migranten seien gefasst und in Flüchtlingszentren gebracht worden, hieß es.
Die Regierung in Warschau beschuldigt Lukaschenko, in organisierter Weise Flüchtlinge aus Krisenregionen wie Afghanistan, Syrien und dem Irak an die EU-Außengrenze zu bringen. Die Behörden in Belarus werfen dem Westen vor, in den Regionen Chaos gestiftet zu haben, weshalb sich die Menschen nun ein besseres Leben suchten. Lukaschenko hatte Ende Mai angekündigt, dass Belarus Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werde - als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen gegen die ehemalige Sowjetrepublik.
Hilfsorganisationen haben den Verdacht, dass Polens Grenzschutz das Gros der Migranten wieder nach Belarus zurückschickt, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, einen Asylantrag zu stellen (Pushback). Das würde gegen internationales Recht verstoßen. Der Vorwurf lässt sich wegen des Ausnahmezustands an der Grenze kaum überprüfen, da Journalisten und Helfer nicht in das Gebiet dürfen.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson forderte den polnischen Innenminister Mariusz Kaminski eigenen Angaben zufolge bei einem Treffen am Donnerstagabend in Warschau dazu auf, Journalisten in dem Grenzbereich zuzulassen. Das belarussische Vorgehen verlange eine entschiedene Antwort der EU. Ein Sprecher der Brüsseler Behörde sagte, Johansson habe auch ihre Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, dass es Berichte über möglicherweise illegale Zurückweisungen von Migranten (Pushbacks) durch die polnischen Beamten gebe.
Der Grenzschutz in Belarus beklagte, dass Menschen auf brutale Weise von den polnischen Behörden abgeschoben würden. „Sie werden einfach ohne Bewusstsein auf belarussischem Gebiet abgelegt“, teilte die Behörde mit. Eine unabhängige Überprüfung dieser Vorwürfe ist nicht möglich.
Der Chef des belarussischen Staatssicherheitsrates, Alexander Wolfowitsch, sagte, Menschen aus vielen Ländern könnten ohne Visum auf dem Flughafen in Minsk einreisen. „Viele von ihnen verhehlen nicht, dass ihr Endziel die entwickelten Länder Europas sind“, sagte er der Staatsagentur Belta zufolge. Vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien seien für die Migranten interessant.