Kritik an geplanten Botschafter-Ausweisungen in der Türkei
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat mit der Anordnung, zehn westliche Diplomaten auszuweisen, auch in der Türkei viel Kritik geerntet. Es könne nicht im Interesse des Landes sein, die Sache zu einer noch größeren Krise zu machen, wurde der ehemalige Präsident Abdullah Gül am Montag in der oppositionsnahen Zeitung Sözcü zitiert. Gül, früher Erdogan-Getreuer, hatte sich bereits zuvor kritisch gegenüber dem Präsidenten geäußert.
Erdogan hatte am Wochenende angekündigt, die Botschafter von Deutschland, den USA und acht weiteren Staaten durch das Außenministerium zu unerwünschten Person erklären zu lassen. Ein solcher Schritt bedeutet in der Regel die Ausweisung der Diplomaten. Anlass war eine Forderung der Botschafter, den seit 2017 ohne Urteil inhaftierten Kulturförderer Osman Kavala freizulassen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hatte bereits 2019 Kavalas Freilassung gefordert.
Aus der Regierungspartei AKP kommt zwar vereinzelt Unterstützung für den Schritt. Die ranghohen Präsidenten-Berater Ibrahim Kalin und Fahrettin Altun, die eigentlich als treue Fürsprecher Erdogans bekannt sind, hüllen sich jedoch in auffallendes Schweigen. Sollte Erdogan umgestimmt werden, dann könnten das nur führende Personen in der AKP tun, sagte Namik Tan, früherer Botschafter der Türkei in den USA, dem türkischen Programm der Deutschen Welle.
Der Chef der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kilicdaroglu, warf Erdogan vor, künstliche Probleme zu schaffen, um von der von ihm verursachten wirtschaftlichen Krise abzulenken. Die strauchelnde Landeswährung Lira fiel am Montag erneut auf Rekordtiefstände.
Die deutsche Regierung äußerte sich am Montag sich kritisch zur Ankündigung der Türkei geäußert, die Botschafter Deutschlands, der USA und acht anderer westlicher Länder zu unerwünschten Personen zu erklären. Man sehe dies „mit Sorge und Unverständnis“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Eine Sprecherin des Außenministeriums sagte, man habe von türkischer Seite noch keine offizielle Nachricht dazu erhalten. Deutschland habe sich am Wochenende mehrfach mit Partnern in Paris und Washington beraten. Die Reaktion werde man davon abhängig machen, welchen Schritt die türkische Seite jetzt gehen werde.
Die US-Botschaft in Ankara twitterte am Montag lediglich, man halte sich an Artikel 41 des Wiener Übereinkommens. Der weist Diplomaten unter anderem an, sich nicht in innere Angelegenheiten des Empfangsstaats einzumischen. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell teilte mit, man verfolge die Entwicklungen sehr genau und stufe die Situation als sehr ernst ein. Bisher sei jedoch keines der betroffenen Länder über tatsächliche Maßnahmen informiert worden.
Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte sich zurückhaltend: Bis Ergebnisse der Kontakte zwischen der Türkei und den jeweiligen Ländern bekannt würden, sei es zu früh, darüber zu sprechen. Der finnische Präsident Sauli Niinistö sagte, über Medien habe man von der türkischen Reaktion gehört, nicht aber auf diplomatischem Wege.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Diplomaten am Samstag zu unerwünschten Personen erklärt, nachdem sie am 18. Oktober die Freilassung des seit 2017 inhaftierten Menschenrechtlers Osman Kavala gefordert hatten. Unterzeichner sind neben Deutschland und den USA Frankreich, die Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen, Kanada und Neuseeland. Sowohl der deutsche Regierungssprecher als auch die Außenamtssprecherin betonten in Berlin, dass die Aufforderung zur Umsetzung eines Urteils des Europäischen Menschengerichtshofes (EGMR) von Dezember 2019 zum Fall Kavala gerechtfertigt gewesen sei.