Widerstand gegen neuen starken Mann im Sudan wächst
Nach dem Militärputsch im Sudan wächst in der Hauptstadt Khartum der Widerstand. „Gefängnis für Burhan“ war am Mittwoch immer wieder zu hören. Gemeint ist General Abdel Fattah al-Burhan, der neue starke Mann. Das Militär hat am Montag in dem ostafrikanischen Land mit rund 44 Millionen Einwohnern die Macht übernommen. Burhan verkündete die Entmachtung der zivilen Regierungsmitglieder und verhängte einen Ausnahmezustand. Seither ist das Internet fast durchgehend blockiert.
Doch wer ist der 61-jährige Putschistenführer, der noch vor ein paar Monaten auf dem internationalen Parkett gefeiert wurde? Seit 2019 stand Burhan gemeinsam mit dem nun entmachteten Ministerpräsidenten Abdalla Hamdok an der Spitze einer Übergangsregierung. Der General ist ein Kriegsveteran, der in den beiden Bürgerkriegen im westsudanesischen Darfur und im heute unabhängigen Südsudan gekämpft hat.
Durch seinen Einsatz im Bürgerkrieg im Jemen habe Burhan sehr gute Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten etablieren können, so der Analyst Murithi Mutiga von der Denkfabrik Crisis Group. Auch mit dem benachbarten Ägypten, wo es 2013 einen Militärputsch gab, pflegt Burhan gute Beziehungen. Während der Westen droht, Hilfsgelder zu streichen, reagierten Ägypten und die Emirate vorsichtig auf den Umsturz. Doch der Widerstand der eigenen Landsleute könnte für das sudanesische Militär, das im Gegensatz zu Ägypten über keinen starken Geheimdienst verfügt, schwieriger zu brechen sein, meinte Mutiga.
Die durchschnittliche Temperatur von 38 Grad Celsius in der Hauptstadt hält die Menschen nicht davon ab, mit Steinen und Reifen Straßensperren zu errichten, um gegen den Umsturz zu protestieren. Man sei „enttäuscht“, erklärte der 23-jährige Musab al-Shiri, der bereits vor zwei Jahren an den monatelangen Protesten teilgenommen hatte, die zum Sturz des Langzeitherrschers Omar al-Bashir führten. Man werde erst aufhören, wenn Burhan aufgebe, so der Universitätsabsolvent.
In dem Viertel werden die Proteste angeführt von Lamia Ghesi, einer 46 Jahre alten Lehrerin. Auch für sie komme aufgeben nicht in Frage, sagt Ghesi, an eine Straßensperre gelehnt. Breite Teile der Bevölkerung sehen das ähnlich. Nach Ärzten und Beamten haben sich auch Angestellte des Öl-Sektors der zivilen Widerstandsbewegung angeschlossen.
Der vehemente Widerstand gegen den Putsch sei keine Überraschung, erklärte Mutiga. Seit der Revolution 2019 verfüge die sudanesische Opposition über ein sehr gut entwickeltes System lokaler Widerstandskomitees, die in der Lage seien, schnell zu mobilisieren. Auch sei in den Köpfen der Menschen die Erinnerung an die Korruption unter der Bashir-Diktatur noch sehr frisch, erzählte er weiter.
Der Sudan war fast 30 Jahre lang von Omar al-Bashir regiert worden. Der Langzeit-Machthaber wurde im April 2019 nach monatelangen Massenprotesten und einem Militärputsch aus dem Amt getrieben. Die Bilder junger Sudanesen, die monatelang ihr Leben riskierten, gingen um die Welt. Daraufhin einigten sich die zivile Opposition und das Militär auf eine gemeinsame Übergangsregierung, die den Weg zu Wahlen ebnen sollte. Es folgten zahlreiche Reformen, wodurch sich das ölreiche, aber verarmte Land aus einer jahrzehntelangen Isolation befreien konnte.
Doch nun droht der Verlust dieser hart erkämpften Errungenschaften. Die USA haben bereits Hilfen in Höhe von 700 Millionen US-Dollar (rund 603 Mio. Euro) vorläufig eingestellt. Auch die EU droht den Putschisten mit einem Stopp ihrer Entwicklungshilfe. Zudem setzte die Weltbank ihre Zahlungen bereits am Montag vorerst aus. Der entmachtete Ministerpräsident Hamdok durfte zwar mittlerweile gemeinsam mit seiner Frau nach Hause zurückkehren, wird dort aber weiterhin schwer bewacht. Für die westlichen Geldgeber, die seit 2019 den demokratischen Übergang unterstützt haben, reicht das nicht aus.
Die EU, die USA und die Afrikanische Union reagierten auf die Rückkehr Hamdoks nach Hause mit einem Achselzucken. Man nehme den Schritt zur Kenntnis, hieß es unbeeindruckt. Die Botschafter in Khartum forderten ein Treffen. Nicht mit dem neuen starken Mann Burhan, sondern mit dem entmachteten Hamdok, den man weiterhin als Regierungschef anerkenne.
Wie es weitergeht, ist unklar. Allein mit der Hilfe der Emirate könne der Sudan sich nicht über Wasser halten, meinte Mutiga. Burhan werde wie zuvor bereits Bashir Verbündete im Sudan finden müssen. In seiner ersten Pressekonferenz nach dem Putsch gab Burhan sich diplomatisch und versprach, die Macht einer demokratisch gewählten Regierung zu übergeben. Aber seine Landsleute sind nicht überzeugt. Für Samstag wurde ein nationaler Tag des Widerstands angekündigt.