Österreich will erstmals UNO-Entwicklungshilfeziel erreichen

52 Jahre nach einem entsprechenden UNO-Beschluss will Österreich nächstes Jahr erstmals das internationale Ziel erreichen, 0,7 Prozent seiner Wirtschaftskraft für Entwicklungshilfe auszugeben. Wie aus der Budgetanalyse des Parlaments hervorgeht, sollen die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit laut dem Budgetvoranschlag 2022 auf 0,87 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigen. Grund dafür ist ein milliardenschwerer Schuldenerlass für den Sudan.

Die Vereinten Nationen hatten im Jahr 1970 das Ziel ausgegeben, dass die Industriestaaten 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für öffentliche Entwicklungshilfe aufwenden sollen. Bis heute erfüllen nur wenige Staaten wie etwa Norwegen, Schweden, Dänemark, die Niederlande oder Luxemburg diese Vorgabe nachhaltig. Österreich zählt traditionell zu den Schlusslichtern bei den Ausgaben für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA). Der Höchststand wurde im Jahr 2005 unter der ÖVP-Außenministerin Ursula Plassnik mit 0,52 Prozent der Wirtschaftsleistung (BNE) erreicht. Im Vorjahr lag die österreichische ODA-Quote bei 0,29 Prozent.

Entwicklungshilfeorganisationen kritisieren seit langem, dass auch Schuldenerlässe in die EZA-Ausgaben eingerechnet werden können, weil es sich dabei um einen Etikettenschwindel handle. Gerade ein Schuldenerlass soll nun kommendes Jahr Österreich das erstmalige Erreichen des UNO-Ziels ermöglichen. Die EZA-Ausgaben sollen 2022 auf 3,774 Milliarden Euro (von 2,5 Milliarden im Jahr 2021) steigen, was „insbesondere auf die Schuldenreduktionen“ zurückzuführen ist, heißt es in dem parlamentarischen Bericht.

Konkret dürfte es um Schulden des Sudan in Höhe von 2,5 Milliarden Euro gehen, die zu zwei Drittel im kommenden Jahr und zu einem Drittel im Jahr 2024 erlassen werden. Entsprechend sprunghaft soll sich die ODA-Quote bis 2025 entwickeln: 0,87 Prozent im Jahr 2022, 0,26 Prozent im Jahr 2023, 0,52 Prozent im Jahr 2024 und dann wieder 0,24 Prozent im Jahr 2024.

Das Außenministerium bestätigte die Angaben der APA auf Anfrage. „Die Entscheidung über die Entschuldung Sudans fiel im Pariser Club vor dem Militärputsch“, hieß es von einer Sprecherin mit Blick auf das informelle Gremium, in dem Gläubiger- und Schuldnerstaaten über Verbindlichkeiten verhandeln. „Sollten die politischen Voraussetzungen für eine Entschuldung wieder gegeben sein, würde die ODA-Quote Österreichs tatsächlich auf ca. 0,87 Prozent des BNE anwachsen.“

Die FPÖ übte anlässlich der Debatte über das Budget des Außenministeriums scharfe Kritik an dem Schuldenerlass und beantragte dessen Streichung. 2,5 Milliarden Euro seien „gleich viel, wie alle österreichischen Städte und Gemeinden bekommen sollen, um ihnen die finanziellen Einbußen durch die Corona-Krise zu ersetzen“, teilte FPÖ-Abgeordneter Martin Graf der APA mit. Zugleich bezeichnete er es als „unglaublich“, dass sich ausgerechnet die mitregierenden Grünen, die immer für eine Erhöhung der EZA gewesen seien, „jetzt für diese Rosstäuscherei hergeben“. Schließlich werde „überhaupt nichts gefördert, sondern es werden nur vermutlich ohnehin uneinbringliche Schulden abgeschrieben“, so Graf. Auch äußerte er die Befürchtung, dass die sudanesische Militärjunta „das Geld, das man sich jetzt für Zinsen und Rückzahlungen spart, gleich wieder in neue Waffen stecken wird“.

Im Sudan hatte das Militär Ende Oktober die Macht übernommen, die zivilen Mitglieder der davor existierenden Übergangsregierung wurden festgenommen. Seit dem Putsch kam es immer wieder zu Massenprotesten, die gewaltsam niedergeschlagen wurden.

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