Kreml erinnert vor Gipfel Putin-Biden an „rote Linien“

Der Kreml erwartet keinen Durchbruch beim am Dienstagnachmittag stattfindenden Videogipfel von Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Joe Biden. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Dienstag vor Journalisten, Moskau bedaure die - wie er es nannte - vorhersehbare Tendenz des Weißen Hauses, zu Sanktionen zu greifen, sei aber bereit, Bidens Bedenken anzuhören. Gleichzeitig verwies er auf „rote Linien“ Moskaus.

„Russland hat nicht vor, irgendjemanden anzugreifen, aber wir haben unsere Befürchtungen und unsere roten Linien“, sagte Peskow. „Es gibt keinen Grund, von diesem Gespräch einen Durchbruch zu erwarten. Es ist ein Arbeitsgespräch in einer sehr schwierigen Zeit“.

In der vergangenen Woche hatte Putin erklärt, dass etwa die Verlegung von militärischer NATO-Infrastruktur in die Ukraine aus russischer Sicht eine solche „rote Linie“ darstellen könnte. Nach Kreml-Angaben soll es bei dem Gespräch auch um mögliche gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO gehen. Putin hatte das westliche Militärbündnis zuletzt zu einem Ende seiner Osterweiterung aufgefordert und dafür schriftliche Garantien verlangt.

Bei Mitgliedern des westlichen Militärbündnisses hatten Berichte über mutmaßliche Angriffspläne Russlands auf die Ukraine zuletzt große Besorgnis ausgelöst. Moskau weist den Vorwurf der Aggression zurück und beschuldigt wiederum die Ukraine, mehr als 120.000 Soldaten an die Linie zu den prorussischen Separatistenregionen Donezk und Luhansk verlegt zu haben.

Das Thema dürfte das Gespräch von Putin und Biden, die sich als Staatschefs erstmals im Juni in Genf persönlich getroffen hatten, dominieren. Bei dem bevorstehenden Gipfel soll es außerdem um die Cybersicherheit beider Länder gehen sowie um das iranische Atomprogramm und weitere internationale Konflikte.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow erklärte vor dem Videogipfel, der um 16.00 Uhr MEZ beginnen sollte, eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts sei nur durch einen Dialog zwischen Kiew und den ostukrainischen Gebieten möglich. Putin werde im Gespräch mit Biden klarmachen, dass die Ukraine sich an ihre Verpflichtungen aus dem 2015 ausgehandelten Minsker Friedensabkommen halten müsse, sagte Lawrow. Moskau fordert von Kiew zudem eine Garantie, den Donbass nicht anzugreifen.

Angesichts der wachsenden militärischen Spannungen mit Russland haben sich die USA und ihre westlichen Verbündeten Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien demonstrativ hinter die Ukraine gestellt. Die Staats- und Regierungschefs der fünf Länder brachten bei einer Telefonkonferenz ihre „Entschlossenheit zum Ausdruck, dass die Souveränität“ der Ukraine „respektiert“ werden müsse, teilte der Elysée-Palast in Paris am Montagabend mit.

Der designierte deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz mahnte Russland zur Zurückhaltung auf. Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa setzten Prinzipien voraus, die in der Entspannungspolitik ausgehandelt worden seien und bis heute fortwirkten, sagte er am Dienstag in Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Spitzen von FDP und Grünen. „Dazu gehört die Unverletzlichkeit und Unverletzbarkeit der Grenzen. Es ist ganz, ganz wichtig, dass niemand in den Geschichtsbüchern wälzt, um Grenzen neu ziehen zu können“, sagte Scholz.

Zuvor hatte das Weiße Haus bereits gewarnt, dass die USA bereit seien, ihre militärische Präsenz in Osteuropa zu verstärken und „harte Wirtschaftssanktionen“ zu verhängen, falls russische Truppen in die Ostukraine eindringen. Eine direkte militärische Antwort zieht Washington derzeit nicht in Betracht. Moskau hat wiederholt jegliche kriegerischen Absichten bestritten und die westlichen Mächte beschuldigt, die „Provokationen“ zu verstärken.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besprach sich vor der Videokonferenz von Putin und Biden mit US-Außenminister Antony Blinken. Die Ukraine sei den USA dankbar für ihre Unterstützung, schrieb Selenskyj auf Twitter. Auch das US-Außenministerium bestätigte, „die unerschütterliche Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine angesichts der russischen Aggression“ bekräftigt zu haben. Übereinstimmenden US-amerikanischen und ukrainischen Medienberichten zufolge wurde zudem ein Telefonat zwischen Biden und Selenskyj im Anschluss an den Gipfel vereinbart.

Russland hatte 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 annektiert, nachdem die gewählte ukrainische Regierung in Kiew gewaltsam gestürzt worden war. Russland unterstützt in dem Konflikt die Separatisten in der Ostukraine, die in Luhansk und Donezk sogenannte Volksrepubliken ausgerufen haben. Mehr als 13.000 Menschen starben bisher in dem Konflikt.