Schweineherz schlägt seit einem Monat in Männerbrust

Manche würden es wohl ein Wunder nennen, doch die medizinische Welt begnügt sich mit dem Wort „Meilenstein“. Am 7. Jänner war erstmals einem Mann in den USA das Herz eines Schweines transplantiert worden. Bisher sieht es gut für ihn aus - nach Angaben der Universität Maryland von Sonntag früh geht es dem 57-jährigen David Bennett auch einen Monat nach dem aufsehenerregenden Eingriff den Umständen entsprechend gut.

Doch die OP ist wissenschaftliches Neuland. Es besteht das Risiko, dass sich die Situation auch noch verschlechtern kann.

„Die lange Überlebenszeit von einem Monat ist ein Riesenerfolg für die Xenotransplantation, vor allem wenn man bedenkt, dass die erste Herztransplantation von Mensch zu Mensch in Deutschland nicht einmal 24 Stunden anhielt“, erklärt Joachim Denner, Transplantationsexperte von der Freien Universität Berlin. Dem „University of Maryland Medical Center“ in Baltimore zufolge, wo die Operation Anfang Jänner stattfand, gibt es keine Zeichen der Abstoßung bei Bennett. Er sei wach, ansprechbar und frage medizinisches Personal danach, wann er nach Hause gehen dürfe.

Dies allerdings dürfte nicht so bald passieren, denn Bennett muss in der Klinik rund um die Uhr beobachtet werden. Die größte Gefahr für sein Leben ist, dass doch eine Abstoßung des Körpers stattfindet, sagt Experte Denner. „Das Immunsystem braucht ja eine gewisse Zeit, ehe es eine Immunantwort aufbaut. Im Moment werden erst die Antikörper und Immunzellen gebildet, die in der Lage wären, das Organ abzustoßen.“ Die medizinische Meisterleistung der Wissenschafter in den USA lag dabei darin, die verschiedenen Mechanismen des menschlichen Körpers, die zu einer Abstoßung führen könnten, von vorneherein zu umgehen oder anderweitig auszuhebeln. Damit ihre Organe für den Menschen verwendet werden können, muss das Erbgut der Spendertiere verändert werden.

Im Fall aus den USA seien zehn genetische Modifikationen vorgenommen worden. Dabei geht es unter anderem um bestimmte Zuckerstrukturen auf der Oberfläche von Schweinezellen, gegen die der Mensch von Natur aus Antikörper hat. Außerdem gibt es die Gefahr von Blutgerinnseln. Der Patient bekommt ebenfalls Medikamente zur Unterdrückung der Immunreaktion.

Schon seit den 1980er-Jahren wird die Xenotransplantation - also die Übertragung von unter anderem tierischen Organen auf den Menschen - erforscht. Schweine sind dabei als Spender besonders geeignet, weil ihr Stoffwechsel dem von Menschen ähnelt. In den USA hatte in den 1980er-Jahren ein Arzt einem todgeweihten Neugeborenen mit funktionsunfähigem Herz ein Pavianherz eingesetzt. Das Mädchen überlebte aber nur wenige Wochen. In Deutschland liegt der Überlebensrekord für einen Pavian mit Schweineherz Wissenschafter Denner zufolge bei 195 Tagen.

Das Schwein für die Transplantation in Baltimore wurde von einer US-Firma gezüchtet. Die streng abgeriegelten und überwachten Ställe beherbergen heute nur einige wenige Schweine. Wenn aber weitere Fortschritte gemacht werden, könnte der Bedarf in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stark ansteigen. Schließlich könnten auch andere Organe wie Nieren sowie Inselzellen, die Insulin produzieren, für Transplantationen genutzt werden.

Organe, die in Schweinen gezüchtet werden: Für die Einen hört sich das nach Science Fiction in der Gegenwart an. Andere empfinden es als anstößig, vielleicht sogar ekelerregend. Doch in dem Durchbruch liegt auch eine Chance, die für viele überwiegt: Die Möglichkeit, jedem Schwerkranken ein neues, gesundes und junges Organ zur Verfügung zu stellen. Dann könnten die Patienten ein Schweineherz bekommen, „die weit hinten auf der Warteliste stehen und nie eine Chance hätten, ein menschliches Organ zu bekommen“, so Denner. Und das Schweineherz habe auch einen großen Vorteil, denn es sei virologisch bestens untersucht - und unter anderem garantiert frei von HIV, dem Tollwutvirus und anderen Erregern. „Wenn die Technologie weiterentwickelt ist, könnte es sogar sein, dass es sogar besser ist, ein Schweineherz zu bekommen als ein Menschenherz“, erklärt Denner.

Wie lange David Bennett leben wird, ist ebenfalls nicht abzusehen. Allerdings sollte man nicht erwarten, dass der schwerkranke Amerikaner jemals wieder einen normalen Alltag erleben kann. Nach Angaben seiner Ärzte macht er momentan Physiotherapie, um zumindest wieder auf die Beine zu kommen. Noch ist ans Gehen aber nicht zu denken. Doch sicher wäre dies ein weiterer Meilenstein, wenn nicht ein kleines Wunder.

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