Ukraine-Konflikt: Scholz will Putin zu Deeskalation drängen

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz will in der kommenden Woche bei seinem Besuch in Moskau den russischen Staatschef Wladimir Putin zur Deeskalation im Ukraine-Konflikt drängen und droht mit „schwerwiegenden Folgen“. Die europäische Krisendiplomatie zur Entschärfung des Ukraine-Konflikts hat indes vorsichtige Zuversicht ausgelöst. Es gebe „echte Chancen für eine diplomatische Lösung“, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Mittwoch in Kiew.

Scholz betonte erneut die Dialogbereitschaft gegenüber Russland, aber auch die „schwerwiegenden Folgen“ für Moskau im Falle eines russischen Einmarschs in die Ukraine. „Das was ich dort sage, wird sich so ausmachen wie das, was (Frankreichs) Präsident (Emmanuel) Macron Anfang dieser Woche gesagt hat“, erklärte Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Mittwoch in Berlin.

In verschiedenen Gesprächsformaten wie dem NATO-Russland-Rat oder dem Normandie-Format werde eine politische Lösung des Konflikts gesucht. „Andererseits müssen wir uns intensiv darauf vorbereiten, dass wir handeln können, wenn es doch zu einer militärischen Aggression kommt“, sagte Scholz weiter. Für Donnerstag sind in Berlin weitere Gespräche im Normandie-Format unter Beteiligung Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine geplant.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht ebenfalls Anzeichen für eine mögliche Deeskalation des Konflikts. Der Besuch des französischen Präsidenten Macron in Moskau sei eine „gute Initiative“ gewesen, sagte Borrell. Zwar habe das Treffen Macrons mit Putin am Montag „kein Wunder bewirkt“. Aber solange Menschen bereit seien, „sich an den Tisch zu setzen und zu reden, besteht meines Erachtens die Hoffnung, dass es nicht zu einer militärischen Konfrontation kommt“.

Kuleba lobte die Vermittlungsbemühungen der Europäer. „Die Situation bleibt angespannt, aber unter Kontrolle“, sagte er nach einem Treffen mit seinem spanischen Kollegen José Manuel Albares in Kiew. „Die Art und Weise, wie die europäische Gemeinschaft auf diese Krise reagiert, wird die Zukunft der europäischen Sicherheit und jedes einzelnen europäischen Staates bestimmen“, fügte der ukrainische Außenminister hinzu.

Macron war am Montag und Dienstag zu Gesprächen über den Ukraine-Konflikt nach Moskau, Kiew und Berlin gereist. Bei seinem Besuch im Kreml hatte er nach eigenen Angaben von Putin die Zusicherung erhalten, auf eine weitere Eskalation zu verzichten.

Der Kreml wertete seinerseits das Treffen Macrons mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj am Dienstag in Kiew als Schritt in die richtige Richtung. „Es gab positive Signale, dass eine Lösung für die Ukraine nur auf der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen beruhen kann“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Es gebe aber keine Anzeichen dafür, dass die ukrainische Regierung bereit sei, „schnell“ das zu tun, „was Kiew schon längst hätte tun sollen“, fügte Peskow hinzu. „Es gibt also positive und weniger positive Signale.“

Macron und Selenskyj hatten sich bei ihrem Treffen am Dienstag in Kiew zur Umsetzung des Minsker Abkommens bekannt. Die Minsker Vereinbarung, mit der eine Befriedung der Ostukraine erreicht werden soll, war 2015 unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs zustande gekommen. Kiew und Moskau werfen sich allerdings regelmäßig gegenseitig Verstöße gegen die Vereinbarung vor.

Russland beklagte seinerseits, dass der Westen auf Drängen der USA die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 als „Druckmittel“ im Ukraine-Konflikt nutzt. „Dies ist leider ein Spiegelbild der bestehenden Realitäten in Europa und in der NATO“, sagte Vize-Außenminister Sergej Rjabkow am Mittwoch in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. „Es ist ein politischer Zirkus, den der Westen veranstaltet.“ Die EU und die NATO versuchten nicht einmal, ihre eigenen Interessen langfristig richtig zu gewichten.

Eine Anfrage der Ukraine an die USA, ihr das Raketenabwehrsystem THAAD zu liefern, würde die russische Regierung nach den Worten von Rjabkow als Provokation werten. Er bezieht sich der Nachrichtenagentur RIA zufolge auf einen russischen Medienbericht, wonach die Regierung in Kiew diese Bitte an die USA gerichtet hat. Sollte die Regierung in Washington ernsthaft eine solche Lieferung erwägen, wäre das ein Rückschlag und würde die Wahrscheinlichkeit einer diplomatischen Lösung in der Ukraine-Krise verringern.

„Alle Maßnahmen sind konkret aufgelistet. Dafür gibt es keine Alternative“, sagte Russlands Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wir sehen allerdings, dass die Ukraine grundlegende Punkte nicht erfüllt.“

Kuleba warf seinerseits Russland vor, in den vergangenen Jahren das Völkerrecht und das Minsker Abkommen „in schwerwiegender Weise verletzt“ zu haben. „Und dafür sollte es mit Sanktionen bestraft werden“, betonte der ukrainische Außenminister.

Unterdessen gehen die diplomatischen Bemühungen um die Beilegung der Krise weiter. Die britische Außenministerin Liz Truss reist am heutigen Mittwoch nach Moskau, um dort ihren Amtskollegen Sergej Lawrow zu treffen.

Der britische Premierminister Boris Johnson reist unterdessen am Donnerstag zu Beratungen nach Polen. Johnson soll Präsident Andrzej Duda und Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu Beratungen über die Sicherheitslage rund um die Ukraine treffen. Am gleichen Tag trifft er außerdem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel.

Für Donnerstag sind außerdem in Berlin weitere Gespräche über die Ukraine-Krise geplant. Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine kommen zwei Wochen nach ihrem Treffen in Paris erneut auf Ebene der außenpolitischen Berater im so genannten Normanie-Format zusammen. Deutschland bemühe sich „unermüdlich“ um eine Deeskalation der Lage in und um die Ukraine, sagte der deutsche Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner.

Moskau hat nach westlichen Angaben mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Dies schürt Befürchtungen, dass Russland einen Angriff auf das Nachbarland vorbereiten könnte. Russland bestreitet dies und führt zugleich an, sich von der NATO bedroht zu fühlen. Moskau fordert umfangreiche Sicherheitsgarantien von dem Militärbündnis und von den USA, bisher aber ohne Erfolg.

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