Moskau: Haben ukrainische Stadt Melitopol eingenommen
Russland hat nach eigenen Angaben die Stadt Melitopol im Süden der Ukraine eingenommen. Die russische Armee habe „die vollständige Kontrolle“ über die unweit der annektierten Halbinsel Krim gelegenen Stadt übernommen, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag im russischen Fernsehen. In der Hauptstadt Kiew hat die ukrainische Regierung die Lage nach eigenen Angaben unter Kontrolle.
Moskau habe in der Nacht auch ukrainische Militäreinrichtungen mit Marschflugkörpern unter Beschuss genommen, sagte Konaschenkow. Dem Sprecher zufolge wurden die ukrainischen Militäreinrichtungen „mit luft- und seegestützten Marschflugkörpern“ angegriffen. Es handle sich dabei um „Präzisionswaffen großer Reichweite“.
Russland hatte am Donnerstagmorgen mit einem Großangriff auf die Ukraine begonnen. Inzwischen geht es vor allem um die Kontrolle der Hauptstadt Kiew, doch auch in vielen anderen Landesteilen wurde gekämpft. Zehntausende Ukrainer flohen angesichts der Gewalt in die Nachbarstaaten.
Nach Angaben Konaschenkows haben die russischen Streitkräfte inzwischen mehr als 820 Militäreinrichtungen in der Ukraine zerstört, darunter 14 Flugplätze, 48 Radarstationen und 24 Flugabwehrraketensysteme. Das russische Militär habe zudem sieben Kampfjets, sieben Hubschrauber und neun Drohnen abgeschossen sowie 87 Panzer und Panzerfahrzeuge zerstört. Zu den russischen Verlusten äußerte sich Konaschenkow nicht.
Man habe die Lage in Kiew unter Kontrolle, die russischen Angreifer versuchten aber, möglichst große Zahlen von Militärtechnik und Streitkräften in die Hauptstadt zu bringen, sagte Mychajlo Podolak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, am Samstag der Agentur UNIAN zufolge. Zuvor war bei schweren Angriffen russischer Truppen ein Kiewer Hochhaus von einem Geschoß getroffen worden. Selenskyj betonte seinen Durchhaltewillen. „Wir werden die Waffen nicht niederlegen, wir werden unseren Staat verteidigen“, sagte er in einer neuen Videobotschaft, in der er offenbar vor seinem Amtssitz in Kiew stand. Er selbst werde in Kiew bleiben. Zudem wünsche er „allen einen guten Morgen.“ Er wolle kursierende Falschnachrichten widerlegen, wonach er das Land verlassen habe. „Ich bin hier.“ Das Land müsse verteidigt werden. „Ruhm der Ukraine!“ Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuvor die ukrainische Armee aufgefordert, die Waffen niederzulegen. Das zeichnete sich nicht ab.
Bilder zeigten deutlich sichtbar einen Einschlag in oberen Stockwerken des in Kiew getroffenen Hochhauses. Mindestens vier Etagen auf einer Seite des Hauses wurden dabei zerstört. Es stieg Rauch auf. Unklar war zunächst, was genau vorgefallen war und ob es Opfer gab.
Die Behörden warnten unterdessen vor Straßenkämpfen in der ukrainischen Hauptstadt. „Auf den Straßen unserer Stadt laufen jetzt Kampfhandlungen. Wir bitten darum, Ruhe zu bewahren und maximal vorsichtig zu sein!“, hieß es in der Mitteilung am Samstag. Wer in einem Bunker sei, solle dortbleiben. Im Fall von Luftalarm sollten die Menschen den nächsten Bunker aufsuchen. Die Stadt veröffentlichte eine Karte dazu. „Wenn Sie zuhause sind, dann gehen sie nicht ans Fenster, gehen sie nicht auf die Balkone.“ Die Menschen sollten sich etwa auch abdecken, um sich vor Verletzungen zu schützen. In Kiew gilt eine Sperrstunde von 22.00 Uhr (21.00 MEZ) bis 07.00 Uhr (6.00 Uhr MEZ) in der Früh.
Einem Medienbericht zufolge haben russische Truppen das Kiewer Wasserkraftwerk im Norden der ukrainischen Hauptstadt-Region eingenommen. Die Nachrichtenagentur Interfax meldete dies unter Berufung auf das ukrainische Energieministerium.
Eigenen Angaben zufolge haben die ukrainischen Streitkräfte den russischen Truppen seit Beginn der Invasion schwere Verluste zugefügt. 3.500 russische Soldaten seien getötet und 200 weitere gefangen genommen worden, teilte das ukrainische Militär am Samstag mit. Zudem seien 14 Flugzeuge, acht Hubschrauber und 102 Panzer sowie mehr als 530 weitere Militärfahrzeuge zerstört worden. Unabhängig überprüft können die Angaben aber nicht werden.
In verschiedenen Teilen des Landes werde schwer gekämpft, hieß es in der Mitteilung weiter. In Sumy im Nordosten, Mariupol im Süden und Poltawa im Osten hätten russische Kampfjets Angriffe geflogen. In der Hauptstadt Kiew seien auch zivile Ziele ins Visier genommen worden.
Konaschenkow sagte auch, dass Separatistenkämpfer aus der ostukrainischen Region Luhansk mittlerweile etwa 30 Kilometer in bisher von ukrainischen Regierungstruppen kontrolliertes Gebiet weit vorgerückt seien. Donezker Kämpfer hätten mit russischer Unterstützung weitere Geländegewinne über sechs Kilometer erzielen können. Am Freitagabend hatte es geheißen, die Aufständischen seien dort 25 Kilometer weiter in ukrainisches kontrolliertes Gebiet vorgedrungen.
Auch der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, betonte, die Hauptstadt sei weiter in der Hand der Regierung. „Die Nacht war schwer, doch es gibt keine russischen Truppen in der Stadt“, sagte Klitschko in einem am Samstag verbreiteten Clip auf der Nachrichten-App Telegram. Er betonte zugleich: „Der Feind versucht, in die Stadt vorzudringen.“ Mit Stand 5.00 Uhr MEZ gebe es 35 Verletzte, unter ihnen zwei Kinder. Klitschko rief die Bevölkerung auf, sich in Sicherheit zu bringen. „Bleibt in den Bombenschutzkellern, denn der Feind greift aus der Luft an.“ Die Infrastruktur funktioniere, die U-Bahn fahre. Klitschko forderte dazu auf, mutmaßliche Markierungen von Angriffszielen auf Häusern zu entfernen. „Wir haben Kontrollpunkte eingerichtet, daher wird die Bewegung in der Stadt eingeschränkt und erschwert.“ Klitschko sagte: „Es wird schwer, aber wir sind verpflichtet durchzuhalten, denn die Armee ist mit uns, die Gebietsverteidigung ist mit uns, die Gerechtigkeit ist mit uns.“