EU gewährt Ukraine-Flüchtlingen vorübergehenden Schutz

Die EU-Staaten haben sich darauf geeinigt, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine schnell und unkompliziert aufzunehmen. Dies teilte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Donnerstag auf Twitter mit. Sie sprach von einer historischen Entscheidung. Die Kommission hatte auf Bitten der EU-Staaten vorgeschlagen, für den schnellen und unbürokratischen Schutz der Ukraine-Flüchtlinge erstmals eine Richtlinie für den Fall eines „massenhaften Zustroms“ von Vertriebenen in Kraft zu setzen.

Der Schutz gilt zunächst für ein Jahr, kann jedoch um insgesamt zwei weitere Jahre verlängert werden. Ein langwieriges Asylverfahren ist dafür nicht nötig, jedoch besteht das Recht, einen Asylantrag zu stellen, weiter. Zugleich werden den Schutzsuchenden Mindeststandards wie der Zugang zu Sozialhilfe und eine Arbeitserlaubnis garantiert. Die Richtlinie wurde in Folge der Kriege in den 1990er Jahren im ehemaligen Jugoslawien geschaffen. Sie soll auch eine Überlastung der für Asylanträge zuständigen Behörden verhindern.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bezeichnete die politische Einigung als „neuerliches starkes, geschlossenes Signal von Europa“. Es sei „intensiv diskutiert“ worden, berichtete Karner nach der Sitzung. Am morgigen Freitag soll demnach die Entscheidung formell auf EU-Ebene beschlossen werden, danach folgt die nationale Ebene mit Ministerrat und Hauptausschuss im Nationalrat. Ukrainer mit biometrischem Reisepass dürfen sich ohne Visum 90 Tage lang frei in der EU bewegen.

Im Vorfeld hatten einige EU-Staaten wie Polen und Österreich Vorbehalte über den Umgang mit Drittstaatsangehörigen, also Menschen ohne ukrainische Staatsbürgerschaft oder internationalem Schutzstatus, geäußert. Diese könnten nach Aussage Karners nun über das bestehende Asylsystem in Österreich einen Antrag stellen, ihnen wird aber auch die Rückkehr in ihrer Heimat ermöglicht.

Die EU-Kommission erwartet wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine eine riesige Fluchtbewegung. „Wir müssen uns auf Millionen Flüchtlinge vorbereiten, die in die Europäische Union kommen“, sagte Johansson am Donnerstag. Schon jetzt haben nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) seit Beginn des Ukraine-Kriegs mehr als eine Million Menschen das Land verlassen.

Alleine in Polen haben bisher mehr als 604.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland angekommen. Allein am Donnerstag hätten bis zum Nachmittag 56.400 Menschen die Grenze überquert, teilten die polnischen Grenzschützer per Twitter mit. Die Mehrheit der Geflüchteten seien ukrainische Staatsbürger, es seien aber auch Menschen aus Usbekistan, Belarus, Indien, Nigeria, Marokko und Afghanistan abgefertigt worden.

In Österreich kamen bisher 11.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge über die Grenze, 70 Prozent reisten aber weiter. In Grundversorgung befinden sich laut Karner derzeit rund 200 ukrainische Staatsbürger.

Johansson würdigte die Hilfe, die von den Bürgern in den EU-Staaten für die Flüchtenden geleistet werde. „Dies ist wirklich ein Moment, um stolz darauf zu sein, Europäer zu sein.“ Sie erwarte, dass vom Treffen der Innenminister ein starkes Zeichen der Solidarität mit den besonders betroffenen EU-Staaten ausgehe. Diese hätten zwar bisher nicht darum gebeten, ihnen Schutzsuchende abzunehmen. „Aber wir brauchen finanzielle Mittel, wir brauchen Ausrüstung.“

„Schutz ohne Wenn & Aber für alle ukrainischen Flüchtlinge: Dieser Beschluss der EU-Innenminister zeigt, was möglich ist, wenn wir geeint und entschlossen handeln“, twitterte der Erste Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas (ÖVP). „Vor allem auch Dank der Hilfsbereitschaft der Nachbarländer. Ein wichtiger Moment für Europa.“