Moskau: Feuerpause für humanitären Korridor in Mariupol

Russland lässt nach Angaben seines Verteidigungsministeriums humanitäre Korridore für die ukrainischen Städte Mariupol und Wolnowacha zu. Die russischen Truppen würden am Samstag um 10.00 Uhr Moskauer Zeit (08.00 MEZ) das Feuer einstellen, meldete die Agentur Interfax. Mariupol liegt am Asowschen Meer, Wolnowacha im Osten und ebenfalls in der Region Donezk. Zivilisten könnten innerhalb eines Zeitraums von ein paar Stunden die einkesselten Städte verlassen, hieß es.

Zivilisten in Mariupol dürfen zwischen 12.00 und 17.00 Uhr Moskauer Zeit (10.00 bis 15.00 Uhr MEZ) aus der Stadt. Der humanitäre Korridor dort sei damit für fünf Stunden offen, meldete die russische Agentur RIA Nowosti am Samstag unter Berufung auf örtliche Behörden. Der Stadtrat von Mariupol teilte mit, um 11.00 Uhr Ortszeit (10.00 Uhr MEZ) werde damit begonnen, Zivilisten in Sicherheit zu bringen.

Der strategisch wichtige Hafen von Mariupol steht nach Angaben von Bürgermeister Wadym Boitschenko von vor der Ankündigung Moskaus nach tagelangen „rücksichtslosen“ Angriffen unter russischer „Blockade“. „Im Moment suchen wir nach Lösungen für die humanitären Probleme und nach möglichen Wegen, um Mariupol von der Blockade zu befreien“, erklärte Boitschenko am Samstag im Messenger-Dienst Telegram.

„Unsere Priorität ist die Herstellung eines Waffenstillstands, damit wir die lebenswichtige Infrastruktur wiederherstellen und einen humanitären Korridor einrichten können, um Lebensmittel und Medikamente in die Stadt zu bringen“, hatte Boitschenko erklärt.

Boitschenkos Stellvertreter Sergej Orlow hatte am Freitag in der BBC von einer „furchtbaren“ humanitären Situation in Mariupol gesprochen, nachdem die 450.000-Einwohner-Stadt über 40 Stunden lang beschossen worden sei. Orlow warf den russischen Streitkräften auch Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser vor. Russlands Staatschef Wladimir Putin wolle „die Ukraine als Nation zerstören“, sagte er.

Mariupol liegt in der Nähe der früheren Frontlinie zwischen pro-russischen Separatisten aus der Ostukraine und der ukrainischen Armee. Die Einnahme der Hafenstadt würde einen Zusammenschluss der russischen Truppen mit Einheiten aus der Krim und dem Donbass ermöglichen.

Am Donnerstag hatten sich eine russische und eine ukrainische Delegation bei Verhandlungen im Westen von Belarus auf humanitäre Korridore in besonders umkämpften Gebieten der Ukraine verständigt. Doch warfen sich die Kriegsparteien am Freitag vor, Fluchtkorridore für Zivilisten zu behindern.

Abgesehen von der Ankündigung aus Moskau für Mariupol und Wolnowacha setzten die russischen Truppen am zehnten Tag des Krieges in der Ukraine ihre Angriffe fort. Das bestätigte das russische Verteidigungsministerium selbst im selben Atemzug: Die Offensive gehe weiter, meldete die Agentur RIA Nowosti.

Die Angriffe konzentrierten sich nach ukrainischen Angaben darauf, die Hauptstadt Kiew und die zweitgrößte Stadt Charkiw einzukesseln. Kiew wurde erneut angegriffen, aus dem Zentrum waren Explosionen zu hören. Das ukrainische Medienunternehmen Suspilne berichtete unter Berufung auf die örtlichen Behörden, in der Stadt Sumi bestehe die Gefahr von Straßenkämpfen. Die Menschen in Sumi, das rund 300 Kilometer östlich von Kiew liegt, sollten in Schutzräumen bleiben.

Das russische Vorgehen ziele auch darauf ab, im Süden eine Landbrücke zur annektierten Halbinsel Krim zu schaffen, teilte der ukrainische staatliche Informationsdienst mit. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte sich im Laufe des Samstags an den US-Senat wenden und um weitere Hilfe bitten. Die Konferenzschaltung war nach Angaben von Senatsmitarbeitern für 15.30 (MEZ) geplant.