Drei EU-Regierungschefs auf dem Weg nach Kiew

Inmitten des Ukraine-Krieges sind die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien zu einem Solidaritätsbesuch in die belagerte ukrainische Hauptstadt Kiew gereist. Es seien Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und Regierungschef Denys Schmyhal geplant, teilte der tschechische Regierungschef Petr Fiala am Dienstag in der Früh auf Twitter mit. Seine Visite mit Mateusz Morawiecki (Polen) und Janez Jansa (Slowenien) sei mit der EU-Führung abgestimmt, so Fiala.

Wie die polnische Regierung mitteilte, habe ein Zug mit den drei Regierungschefs bereits die polnisch-ukrainische Grenze überquert und sei auf dem Weg nach Kiew. Die Entscheidung für die Visite sei schon beim EU-Gipfel in Versailles am Freitag gefallen. Die Regierung in Warschau habe sie dann unter strengster Geheimhaltung vorbereitet. Ein Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel bestätigte, das er und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Versailles über die Visite informiert worden sei.

Fiala betonte, dass er und seine beiden Kollegen „als Vertreter des Europäischen Rates“ unterwegs seien und die Visite mit von der Leyen und Michel abgesprochen sei. „Ziel des Besuchs ist es, die einmütige Unterstützung der Europäischen Union für die Ukraine und ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu äußern.“ Man wolle bei dem Besuch auch ein „Paket umfassender Unterstützung“ für die Ukraine und ihre Bevölkerung vorstellen.

„In diesem Augenblick ist kein Land auf dem ganzen Kontinent, was unsere Werte betrifft, europäischer als die Ukraine“, betonte Jansa in einem am frühen Dienstagnachmittag veröffentlichten Tweet. Der Ukraine-Krieg habe die EU „endlich aufwachen“ lassen und „geeinter denn je“ gemacht. „Danke, dass ihr nicht nur eure Heimat und das Gebiet Europas verteidigt, sondern den Wesenskern der europäischen Werte und unseres Lebensstils. Euer Kampf ist unser Kampf und gemeinsam werden wir siegen.“

Vorsichtig zustimmend zur Visite äußerte sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Es sei wichtig, auf verschiedene Weise Solidarität zu zeigen, sagte Scholz am Dienstag auf die Frage nach einer Bewertung. Er verwies auf die bereits bestehenden Gesprächskanäle und die praktische Hilfe bis zu Waffenlieferungen, die auch Deutschland für die Ukraine geleistet habe. Alle würden auf unterschiedliche Art und Weise helfen. „Und das ist auch gut so“, sagte er. Im Wiener Kanzleramt äußerte man sich zurückhaltender. Man kommentiere Reisen anderer Regierungschefs nicht, hieß es auf APA-Anfrage.

Der polnische Regierungssprecher Piotr Müller sagte, Experten hätten die Sicherheitslage gründlich analysiert und seien zu dem Schluss gekommen, dass „dieser Besuch einfach stattfinden muss“. Er sei als starkes Symbol der Unterstützung gedacht. Auf die Frage, warum die EU-Spitze nicht selbst nach Kiew fahre, sagte Müller: „Dies ist eine schwierige Frage, aber es ist eine Frage der individuellen Entscheidungen jedes europäischen Spitzenpolitikers.“ Ein EU-Beamter teilte mit, EU-Ratspräsident Michel habe mit Blick auf eine solche Reise auf Sicherheitsrisiken hingewiesen. Laut Müller wurden auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sowie die US-Regierung über die Aktion informiert. Jansa berichtete, dass auch der Chef der polnischen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit), Jaroslaw Kaczynski, an der Reise teilnimmt.

„Das ist ein sehr mutiger Schritt“, kommentierte der ukrainische Journalist Iwan Gajwanowitsch die Visite. Sie zeige, „dass wir Freunde haben und nicht alle so schüchtern sind wie die NATO zum Beispiel“, sagte er dem Ö1-Mittagsjournal aus Kiew. Erst am Dienstag in der Früh waren in mehreren Bezirken der Hauptstadt insgesamt vier Wohngebäude angegriffen worden. Dabei seien mindestens zwei Menschen getötet worden, hieß es vom Zivilschutz. Moskau beharrt darauf, lediglich militärische Ziele ins Visier zu nehmen.

Polen, Tschechien und Slowenien zählen zu den stärksten Fürsprechern der Ukraine innerhalb der Europäischen Union. Morawiecki und Jansa hatten sich jüngst für einen EU-Beitritt der früheren Sowjetrepublik im Schnellverfahren ausgesprochen. Jansa hat den Ukraine-Krieg auch mehrmals mit dem Unabhängigkeitskrieg seines Landes von Jugoslawien im Jahr 1991 verglichen. Als Verteidigungsminister organisierte der konservative Politiker damals den Widerstand gegen die Jugoslawische Volksarmee, die der slowenischen Territorialverteidigung als haushoch überlegen galt.

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