Starke Explosionen in Kiew und Beschuss auch weiterer Städte

Knapp drei Wochen nach Beginn des Ukraine-Kriegs haben die russischen Angreifer ihren Beschuss auf mehrere umkämpfte Städte intensiviert. Betroffen sind neben Kiew und den Vorstädten der Hauptstadt besonders Charkiw im Osten, Mariupol im Südosten und Mykolajiw im Südwesten. Auch bisher von den Kämpfen verschont gebliebene, westliche Städte werden zunehmend beschossen. In Kiew sind Mittwoch früh laut Medienvertretern erneut mehrere starke Explosionen zu hören gewesen.

Die ukrainischen Streitkräfte führen nach Angaben des Präsidentenberaters Oleksii Arestowytsch an mehreren Fronten kleinere Gegenoffensiven aus. Die russischen Truppen hätten keinen Boden gutmachen können. Die Lage in den wichtigsten Brennpunkten habe sich nicht geändert - und könne dies auch nicht, weil Russland seine Ressourcen aufgebraucht habe. Etwa zwei Drittel der Raketen, mit denen Russland ukrainische Ziele beschieße, würden zivile Gebäude und Infrastruktur treffen.

Am frühen Morgen habe es im Westen der ukrainischen Hauptstadt drei Detonationen gegeben, so die AFP-Korrespondenten. Wie bereits am Vortag, als die russischen Streitkräfte mehrere Wohnhäuser unter Beschuss genommen hatten, stiegen anschließend schwarze Rauchsäulen auf. Weitere Explosionen folgten am Vormittag.

Im Osten der Ukraine dauern nach russischen Angaben auch die heftigen Gefechte um die Großstadt Sjewjerodonezk an. Einheiten der selbst ernannten „Volksrepublik Luhansk“ kämpften an den Stadtgrenzen im Nordwesten, Nordosten und Osten, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Mittwoch in seinem Morgenbericht. Die Aufständischen im Gebiet Donezk hätten mehrere Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht, sagte Konaschenkow.

Russische Einheiten bombardierten nach ukrainischen Angaben ein Theater in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol, in dem sich Hunderte Menschen aufgehalten haben sollen. Angaben zu möglichen Opfern lagen zunächst nicht vor. „Ein weiteres entsetzliches Kriegsverbrechen in Mariupol“, twitterte Außenminister Dmytro Kuleba am Mittwoch. „Heftiger russischer Angriff auf das Drama-Theater, wo sich Hunderte unschuldiger Zivilisten versteckt haben.“ Das Gebäude sei zerstört. „Die Russen müssen gewusst haben, dass dies ein ziviler Unterschlupf war.“ Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Moskau wies die Vorwürfe umgehend zurück. Russische Soldaten hätten am Mittwoch keine Luftangriffe gegen Bodenziele in Mariupol ausgeführt, so das russische Verteidigungsministerium laut Agentur Interfax. „Nach verfügbaren zuverlässigen Daten“ habe das ukrainische nationalistische Regiment Asow das zuvor bereits verminte Theatergebäude attackiert.

Russische Truppen brachten nach Angaben der ukrainischen Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk in der Hafenstadt Mariupol ein Krankenhaus unter ihre Kontrolle gebracht. 400 Patienten und Mitarbeiter würden als Geiseln gehalten. Die Soldaten hätten auf dem Klinikgelände Artillerie in Stellung gebracht und würden Schüsse abfeuern, sagt die stellvertretende Regierungschefin in einer Video-Ansprache.

Die Ukraine warf dem russischen Militär am Nachmittag vor, mit schwerer Artillerie auf einen Konvoi von Flüchtlingen aus Mariupol gefeuert zu haben. Der Gouverneur der Region Saporischschja, Alexander Staruch, erklärt im Internet, es habe fünf Verletzte bei dem Angriff gegeben. Darunter sei ein Kind. Er stellte Fotos und Videos online, die den Vorfall dokumentieren sollen. Mariupol gehört zu dem am heftigsten umkämpften Städten in der Ukraine.

Nach ukrainischen Angaben sind bisher rund 20.000 Einwohner in Privatautos aus dem belagerten Mariupol geflohen. Dies teilt der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Vadym Denysenko, mit. Ukrainischen Angaben zufolge sind die rund 400.000 Einwohner seit fast zwei Wochen ohne Heizung, Strom und fließendes Wasser in der Hafenstadt im Südosten des Landes eingeschlossen. Mindestens 200.000 Menschen seien dringend auf eine Evakuierung angewiesen.

Im Süden griffen russische Truppen nach ukrainischen Angaben auch die Stadt Saporischschja an, in der sich neben den Einwohnern auch tausende Flüchtlinge aus Mariupol aufhalten. „Erstmals sind zivile Objekte in Saporischschja angegriffen worden“, schrieb am Mittwoch Gouverneur Alexander Staruch auf Telegram. Die Raketen seien unter anderem auf einem Bahnhofsgelände eingeschlagen, es sei niemand getötet worden.

Die russische Armee soll nach Angaben des ukrainischen Generalstabs bereits bis zu 40 Prozent der Einheiten verloren haben, die seit dem Einmarsch an Kämpfen beteiligt waren. Diese Truppen seien entweder vollständig zerstört worden oder hätten ihre Kampfkraft verloren, teilte der Generalstab in Kiew in der Nacht auf Mittwoch in einem Lagebericht mit. Eine konkrete Zahl nannte er nicht.

Nahe der südwestukrainischen Hafenstadt Odessa seien zwei Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-30 abgeschossen worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Nach Angaben des regionalen Militärstabs versuchten russische Einheiten, die ukrainische Luftabwehr bei Odessa auszuschalten, dies sei aber nicht gelungen. Vor der Küste kreuzen demnach mehrere russischen Kriegsschiffe, von denen eins ebenfalls auf ukrainische Stellungen gefeuert haben soll. Bisher habe es aber keinen Landeversuch gegeben.

Nach ukrainischen Angaben wurden seit Kriegsbeginn am 24. Februar etwa 13.800 russische Soldaten getötet. Etwa 430 Panzer, 1375 gepanzerte Fahrzeuge und Hunderte weitere Fahrzeuge seien zerstört worden, ebenso rund 85 Kampfflugzeuge und mehr als 100 Hubschrauber.

Für Russland gab Konaschew die Zahl der seit Kriegsbeginn zerstörten ukrainischen Panzer und gepanzerten Fahrzeuge mit 1.353 an. Zudem seien 111 Flugzeuge, 68 Hubschrauber, 160 Drohnen und 159 Raketenabwehrsysteme getroffen worden. Viele Angaben der beiden Kriegsparteien können nicht unabhängig geprüft werden.

Bisher sind nach Angaben aus Kiew mehr als 100 Kinder im Krieg getötet worden. Bisher seien 103 Kinder ums Leben gekommen und mehr als 100 verletzt worden, schrieb Generalstaatsanwältin ums Leben gekommen und mehr als 100 verletzt worden, schrieb Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa am Mittwoch bei Facebook. Mindestens zehn Zivilisten sollen einem ukrainischen Medienbericht zufolge im nordukrainischen Tschernihiw von russischen Truppen erschossen worden sein. Die Menschen hätten sich um Brot angestellt, schrieb der öffentlich-rechtliche Sender Suspilne am Mittwoch und veröffentlichte ein Foto, das die Leichen zeigen soll.

Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, sagte der Agentur Tass zufolge, es handle sich entweder um eine grausame Terrortat ukrainischer Nationalisten oder eine Inszenierung des ukrainischen Geheimdiensts.

Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte hat seit dem Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar in der Ukraine den Tod von 726 Zivilisten dokumentiert. Unter ihnen waren 42 Kinder und Jugendliche, wie das Büro am Mittwoch in Genf mitteilte.

Zivilisten aus umkämpften Städten und Dörfern in der Ukraine können nach Angaben aus Kiew am Mittwoch nicht auf eine Evakuierung hoffen. Man habe keine Antwort auf seine ans Rote Kreuz gerichteten Vorschläge erhalten, sagte Vize-Regierungschefin Wereschtschuk. „Die Frage humanitärer Korridore für Isjum und Mariupol ist offen. Es ist derzeit unmöglich, Menschen dort gefahrlos herauszuholen.“

Die russischen Truppen setzten unterdessen nach ukrainischen Angaben den Bürgermeister von Melitopol wieder auf freien Fuß. Iwan Fedorow sei aus russischer Gefangenschaft freigelassen worden, teilt das Büro von Präsident Wolodymyr Selenskyj mit. Fedorow war demnach am Freitag von russischen Soldaten verschleppt worden.

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