Russland verstärkt Beschuss in der Ukraine

Russland hat seine Offensive in der Ukraine wieder verstärkt. Aus mehreren Städten des Landes wurde am Freitag Raketenbeschuss gemeldet, auch nahe der westukrainischen Großstadt Lwiw. Gleichzeitig greifen nach russischen Angaben prorussische Separatisten in der umzingelten südostukrainischen Stadt Mariupol an. Bei einem Angriff auf ein Wohnviertel in Kiew sind laut Bürgermeister Vitali Klitschko ein Mensch getötet und 19 verletzt worden.

Unter den Verwundeten im Stadtteil Podil seien vier Kinder, sagte Klitschko am Freitag in einem Video, das er auf Telegram veröffentlichte. Russische Truppen hätten Wohnhäuser, Kindergärten und eine Schule beschossen. Diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

In der Nähe der Stadt Lwiw schlugen nach Behördenangaben mehrere Raketen auf dem Gelände eines Flughafens ein. Auch ein Werk für Flugzeugwartungen sei getroffen worden. Das Gebäude sei zerstört worden, teilte Bürgermeister Andrej Sadowyj mit. Es habe keine Opfer gegeben. Der Betrieb in dem Werk sei gestoppt worden.

Über dem angegriffenen Gebiet stieg eine dichte Rauchwolke auf. Rettungskräfte seien im Einsatz, erklärte Sadowyj. Lwiw ist Zufluchtsort und Durchgangsstation für Hunderttausende Flüchtlinge aus dem Rest der Ukraine, auch viele westliche Diplomaten haben sich von der Hauptstadt Kiew nach Lwiw begeben.

Besonders umkämpft ist weiterhin Mariupol im Süden des Landes. Dort erhalten die prorussischen Separatisten Unterstützung von russischen Truppen, meldete die Nachrichtenagentur RIA. „In Mariupol ziehen die Einheiten der Volksrepublik Donezk mit Unterstützung der russischen Streitkräfte ihren Belagerungsring enger und bekämpfen die Nationalisten im Zentrum der Stadt“, erklärte das russische Verteidigungsministerium.

Die ukrainische Regierung versucht nach eigenen Angaben erneut Fluchtkonvois aus Städten zu organisieren. Doch häufiger Beschuss durch russische Streitkräfte verhindert eine sichere Evakuierung von Städten und Dörfern an der Front in der Region Luhansk.

Seit Beginn des Krieges am 24. Februar seien 59 Zivilisten in der Region getötet und mehrere Wohngebiete vollständig zerstört worden, sagt der Gouverneur von Luhansk, Serhij Gaidai. „Es gibt keine einzige Gemeinde, die nicht unter Beschuss geraten ist“, sagt er im staatlichen Fernsehen und nannte die Städte Sewerodonezk, Rubischne und Popasna als besondere Brennpunkte. Die Behörden hofften, dass für Samstag eine zeitweilige Waffenruhe vereinbart werden könne, damit Lastwagen Lebensmittel, Medikamente und andere Hilfsgüter zu den notleidenden Menschen bringen könnten.

Noch immer völlig unklar ist die Zahl der Opfer nach dem Bombardement eines als Schutzort genutzten Theaters in Mariupol. Der Bombenschutzkeller des Gebäudes habe den Beschuss überstanden und einige „Erwachsene und Kinder“ seien lebend hinausgekommen, erklärte die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmila Denisowa, am Freitag. Die Arbeiten, um den Zugang zu dem Keller freizubekommen, dauerten demnach an. Schätzungen zufolge hatten etwa 1.000 Menschen in dem Theaterkeller Schutz gesucht.

Der ukrainische Abgeordnete Sergiy Taruta erklärte, Russlands Blockade der Stadt behindere die Rettungsbemühungen. Zwar hätten es einige Menschen aus dem zerstörten Theater hinaus geschafft. Aber die anderen, „die das Bombardement überlebt haben, werden unter den Trümmern des Theaters sterben, oder sind schon tot“.

In der Nacht hatten russische Truppen nach Angaben Kiews auch ihre Angriffe auf die nördliche Stadt Tschernihiw fortgesetzt. Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, dass die Ukraine auch drei Wochen nach Kriegsbeginn jene Gebiete des Landes unter Kontrolle halte, in die russische Truppen vorzudringen versuchen. Er wandte sich besonders an die Menschen in Mariupol, Charkiw und Tschernihiw, deren Städte belagert werden und schweren Schaden genommen haben. Sie würden nicht im Stich gelassen, versicherte er. Von der Armee bis zur Kirche tue jeder alles für die Menschen. „Ihr werdet frei sein“, versprach Selenskyj.

Ukrainischen Angaben zufolge sind für Freitag landesweit erneut neun Fluchtkorridore geplant, über die Zivilisten aus umkämpften Gebieten in Sicherheit gebracht werden sollen. Aus Mariupol sollen Menschen ins nordwestlich gelegene Saporischschja fliehen können, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Vormittag in einer Videobotschaft. Weitere sogenannte Korridore soll es beispielsweise in der nordöstlichen Region Sumy geben, die aus verschiedenen Städten ins zentralukrainische Poltawa führen.

Nach Mariupol, wo die Lage besonders dramatisch ist, sei zudem noch immer ein Tanklaster mit Kraftstoff für Privatautos auf dem Weg, sagte Wereschtschuk. In den vergangenen Tagen war Tausenden Zivilisten die Flucht aus Mariupol in eigenen Fahrzeugen geglückt. Viele stecken aber weiter fest in der Stadt am Asowschen Meer, in der es seit Tagen keinen Strom, kein Wasser und keine Heizung mehr gibt. Hilfskonvois kommen nach Angaben aus Kiew nicht bis zu den Menschen dort durch.