Nehammer: Werden bosnische Bevölkerung nicht allein lassen
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Freitag bei einem Besuch in Bosnien-Herzegowina der bosnischen Bevölkerung in Bezug auf Befürchtungen einer Destabilisierung durch Russland versichert, dass Europa das größte Interesse daran habe, dass die Menschen in Bosnien-Herzegowina in Frieden und Sicherheit leben können. „Und wir werden sie in diesem Prozess auf keinen Fall allein zu lassen.“ In Bezug auf die EU-Annäherung forderte Nehammer „Ehrlichkeit“ und „neuen Schwung“.
„Europa ist präsent in Bosnien-Herzegowina mit der EUFOR“, betonte der Kanzler bei einem Treffen mit dem bosnischen Regierungschef Zoran Tegeltija. Dieser wies bei der gemeinsamen Pressekonferenz Befürchtungen zurück, dass der Ukraine-Krieg auf Bosnien-Herzegowina überschwappen und die Stabilität des Staates gefährden könnte. Der bosnische Regierungschef betonte in erster Linie die tiefen wirtschaftlichen Folgen der „Krise in der Ukraine“ auf das Balkanland - darunter massive Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln und Energie, unter denen das Land leide.
Tegeltija habe bei dem Gespräch klar gemacht, dass es Bosnien vor allem darum gehe, „Normalität und die wirtschaftliche Stabilität so gut es geht zu erhalten, und nicht sich in einen Konflikt hineinziehen zu lassen, der ganz andere Ursachen hat“, berichtete Nehammer.
„Die Herausforderungen, die auf uns zukommen, werden nicht kleiner, sondern größer“, so Nehammer mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Es gehe darum zu überlegen, wie die Folgen des Krieges bewältigt werden können. „Wenn wir stabil sind, dann haben wir auch eine Perspektive für den Westbalkan, dass auch er stabil sein kann“, sagte er und verwies darauf, dass Österreich ein wichtiger Investor in Bosnien ist.
In Bezug auf den EU-Beitrittsprozess sagte Nehammer, man müsse „klar und ehrlich miteinander kommunizieren“. „Wir brauchen einen klaren Ansprechpartner, wir brauchen eine Stimme, die uns gegenüber auftritt und die Interessen von Bosnien-Herzegowinas vertritt“, sagte der Kanzler. Das sei die Grundlage jeder Verhandlungen. Zugleich dürfe die EU die Staaten des Westbalkan „nicht mit Kriterien überfordern“. Um „die Prozesse zu beschleunigen“, wolle er in der Europäischen Union Verbündete suchen, sagte Nehammer und nannte Deutschland als wichtigen Partner. Bosnien-Herzegowina wisse, dass es mit Österreich „einen Freund an seiner Seite hat, der eine Brücke bauen wird Richtung Europäische Union“.
Tegeltija gehört der nationalistischen Partei SNSD von Milorad Dodik an, der die Politik im serbischen Landesteil, der Republika Srpska, dominiert und sich bemüht die Teilrepublik aus dem Gesamtstaat herauszulösen. Trotz Warnungen der internationalen Gemeinschaft hat das Parlament der Republika Srpska beschlossen, dem Zentralstaat in den Bereichen Steuern, Justiz sowie Sicherheit und Verteidigung Kompetenzen zu entziehen.
Unterstützt wird Dodik in seinen Plänen durch Russland. Daher sind seit dem russischen Angriff auf die Ukraine die Befürchtungen gewachsen, dass sich der serbische Landesteil unabhängig erklären könnte. Russland könnte die Republika Srpska ähnlich wie die „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk in der Ostukraine als unabhängigen Staat anerkennen, so die Sorge.
Nehammer traf am Freitag auch mit dem dreiköpfigen bosnischen Staatspräsidium - darunter auch mit Milorad Dodik - zusammen. Bosnien ist die zweite Station der Westbalkan-Reise des Bundeskanzlers. Am Donnerstag hatte Nehammer bereits Serbien besucht, am Freitagnachmittag reist er weiter in Kosovo.
In Bosnien-Herzegowina sind bei der EUFOR-Truppe rund 180 Bundesheerangehörige stationiert. Zusätzlich wurden nach dem russischen Angriff auf die Ukraine weitere 120 Soldaten als Teil der Reserveeinheit „Intermediate Reserve Force“ in das Land entsandt.