Kämpfe in der Ukraine auch in der Nacht fortgesetzt
Die Kämpfe an den Frontabschnitten in der Ukraine sind auch in der vergangenen Nacht fortgesetzt worden. Am Samstag sollen nach einem Raketenangriff russischer Truppen auf eine Kaserne in Mykolajiw im Süden der Ukraine mindestens 50 Tote aus den Trümmern geborgen worden sein. In Mariupol wurde laut dem Stadtrat eine Kunstschule, in der 400 Menschen Schutz gesucht hatten, durch Bomben zerstört. Es gebe noch keine Informationen über Opfer.
Beim Beschuss eines mehrstöckigen Wohnhauses in Charkiw im Osten der Ukraine sind nach Behördenangaben mindestens fünf Menschen getötet worden - darunter ein neun Jahre alter Bub. Das Gebäude in der Nähe eines Industriegebiets sei in der Nacht zum Sonntag beschossen worden und in Brand geraten, teilte die Polizei mit. Sie veröffentlichte ein Foto von dem Haus, auf dem zu sehen war, wie Rauch aus mehreren Stockwerken drang. Fensterscheiben wurden zerstört.
Mehr als 6.600 Menschen konnten sich am Samstag über Fluchtkorridore vor den Kämpfen in Sicherheit bringen. Nach Angaben der Behörden konnten 4.128 Menschen aus der belagerten Hafenstadt Mariupol fliehen. Weitere 1.820 Menschen verließen die Hauptstadt Kiew über Fluchtkorridore. Am Sonntag sind nach Angaben der stellvertretenden ukrainischen Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk sieben Fluchtkorridore geplant.
Auf politischer Ebene holte die ukrainische Regierung unterdessen zum Schlag gegen pro-russische Parteien im Land aus und ließ deren Arbeit bis auf weiteres verbieten. Die Aktivitäten ihrer Politiker, die auf Spaltung oder Kollaboration abzielten, würden keinen Erfolg haben. Diese Politiker würden „eine harte Antwort erhalten“, wurde Präsident Wolodymyr Selenskyj von der „Ukrajinska Prawda“ zitiert.
Zu den betroffenen Parteien gehören unter anderem die „Oppositionsplattform für das Leben“ und der „Oppositionsblock“, die auch im Parlament vertreten sind. Sie gelten ebenso wie die übrigen neun nunmehr verbotenen außerparlamentarischen Parteien als euroskeptisch, antiliberal oder als pro-russisch.
Selenskyj wandte sich unterdessen in einer Videobotschaft mit martialischen Worten über schwere russische Kriegsverluste an die Bevölkerung Russlands. „An den Brennpunkten besonders schwerer Kämpfe sind unsere vordersten Abwehrlinien mit Leichen russischer Soldaten praktisch überhäuft. (...) Und diese Leichen, diese Körper werden von niemandem geborgen“, fuhr er fort. „Und über sie jagen sie neue Einheiten hinweg, irgendwelche Reserven, die die russischen Befehlshaber irgendwo sammeln.“
Er könne verstehen, das Russland über schier endlose Reserven an Soldaten und Militärgerät verfüge. „Aber ich möchte von den Bürgern Russlands wissen: Was hat man mit Ihnen in diesen Jahren getan, dass Sie Ihre Verluste nicht bemerkt haben?“. Schon jetzt seien mehr als 14.000 russische Soldaten getötet worden. „Das sind 14.000 Mütter, 14.000 Väter, Ehefrauen, Kinder, Verwandte, Freunde - und Ihnen fällt das nicht auf?“
Die ukrainische Darstellung zu den getöteten russischen Soldaten lässt sich nicht unabhängig überprüfen - ebenso wenig wie jene zu den eigenen militärischen Verlusten, die die Staatsführung vor rund einer Woche mit etwa 1.300 Soldaten bezifferte. Die russische Seite hat bisher offiziell nur knapp 500 eigene Gefallene bestätigt.
In Kiew heulten am Samstagabend erneut die Sirenen, wie Bewohner in Online-Netzwerken mitteilten. In der weiterhin bombardierten, russischsprachigen Großstadt Charkiw im Nordwesten starben seit Kriegsbeginn den örtlichen Behörden zufolge mindestens 500 Menschen.
Nach einem Raketenangriff russischer Truppen auf eine Kaserne in Mykolajiw im Süden der Ukraine sollen Helfer am Samstag mindestens 50 Tote aus den Trümmern geborgen haben. Insgesamt hätten rund 200 Soldaten in dem Gebäude geschlafen, als die Raketen einschlugen, berichtete die „Ukrajinska Prawda“ am Samstag. Knapp 60 Verletzte seien in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Von unabhängiger Seite bestätigt sind auch diese Informationen nicht. In Mariupol wurde nach ukrainischen Angaben eine große Stahlfabrik schwerbeschädigt.
Der Bürgermeister von Tschernihiw wies in einem dramatischen Appell auf die prekäre Lage in der von russischen Truppen eingekesselten nordukrainischen Stadt hin. „Der wahllose Artilleriebeschuss der Wohngebiete dauert an, dabei sterben friedliche Menschen“, sagte Wladislaw Atraschenko laut UNIAN. Die Stadt erlebe eine humanitäre Katastrophe. „Es gibt keine Stromversorgung, kein Wasser, keine Heizung, die Infrastruktur der Stadt ist vollständig zerstört.“
Russland feuert einem Agenturbericht zufolge unterdessen auch von Schiffen im Schwarzen und Kaspischen Meer Marschflugkörper auf die Ukraine ab. Das berichtete die Agentur Interfax am Sonntag.
Belarussische Bahnarbeiter sollen unterdessen alle Schienenverbindungen zwischen Belarus und der Ukraine unterbrochen haben. Der Vorsitzende der ukrainischen Eisenbahnen, Olexander Kamyschin, dankte am Samstag den Kollegen in Belarus für die nicht näher beschriebene Aktion. „Mit dem heutigen Tag kann ich sagen, dass es keinen Bahnverkehr zwischen Belarus und der Ukraine gibt“, wurde er von UNIAN zitiert. Das würde bedeuten, dass russische Truppen in der Ukraine über diese Strecken weder Verstärkungen noch Nachschub erhalten.