Müssen Tourengeher bald zahlen? Ruf nach Strafen für Unbelehrbare
Respektlos und leichtsinnig seien Tourengeher, die außerhalb der vorgesehenen Zeiten die Pisten der Skigebiete für ihren Sport nützen. Das beklagen Tiroler Liftbetreiber. Sie wollen rechtliche Handhabe gegen die Auswüchse.
Innsbruck – Die Gewaltattacke eines Pistentourengehers am Freitagabend am Rangger Köpfl hat Folgen. Politische wie auch rechtliche. Der Tourengeher wird von der Polizei wegen versuchter Körperverletzung angezeigt. Wie berichtet, hatte der Mann gegen 23 Uhr einen Pistenraupenfahrer mit Fäusten attackiert und minutenlang nicht von ihm abgelassen. Kurz zuvor seien Tourengeher über ein noch nicht gespanntes Windenseil der Pistenraupe gefahren, gab der Geschäftsführer der Bergbahnen Oberperfuss zu Protokoll.
Politisch werden nach der Attacke auch ungewohnte Töne laut. Sportlandesrat Josef Geisler (ÖVP) kann sich vorstellen, Sicherheitsdienste am Berg einzusetzen. „Die könnten bei der Hütte darauf schauen, dass keiner abfährt, und im Tal dafür sorgen, dass keiner aufsteigt.“ Im Zillertal würde auf den Hütten nach 17 Uhr kein Alkohol mehr ausgeschenkt. „Das könnten andere Hüttenwirte gleich machen.“ Den Einsatz des Security-Personals würde Geisler die Tourengeher selbst bezahlen lassen. „Ein paar Euro Pistenbenützungsgebühr halte ich für zumutbar.“
Geisler betont, dass es sich bei Zwischenfällen zumeist um „Narren handelt, die man vor sich selbst schützen muss“. Dennoch will der Landesrat einen Runden Tisch mit Seilbahnern abhalten, damit Lösungen gefunden werden.
Sanktionen fordert Seilbahnsprecher Franz Hörl (ÖVP). „Eine Anzeige und eine Besitzstörungsklage, damit es weh tut.“ Exekutierbar ist das derzeit kaum bis gar nicht. Die Prügelattacke hält Hörl nicht für einen Einzelfall, sondern für die Spitze des Eisbergs.
Ruf nach Strafen für Unbelehrbare
Ein 26 Sekunden langer Videoclip lässt seit dem Wochenende die Wogen hochgehen – und hat hierzulande eine Debatte angeheizt, die seit Jahren vor sich hin köchelt. Der in sozialen Netzwerken veröffentlichte Film zeigt, wie berichtet, einen Skibergsteiger, der am Rangger Köpfl auf den Fahrer einer Pistenraupe losgegangen ist. Tiroler Liftbetreiber begehren nun auf. Den Vorfall im Skigebiet Oberperfuss benennen sie als beispielhaft für ein oft respektloses und leichtsinniges Verhalten der Tourengeher und fordern, dass ihnen die Politik rechtliche Handhabe zugesteht. Ein Vorbild könnte Salzburg sein.
Video: Tourengeher greift Raupenfahrer an
Zur Erinnerung: Gegen 23 Uhr am Freitagabend hatte ein Skibergsteiger am Rangger Köpfl den Fahrer einer Pistenraupe attackiert, hatte diesem gegen den Kopf geschlagen. Grund für den Übergriff: Der Bergbahn-Mitarbeiter wollte die Wintersportler vor der Abfahrt warnen. Stahlseile, die beim Präparieren der Hänge zum Einsatz kommen, stellten eine Verletzungsgefahr dar. Von einer Anzeige sahen die Betreiber des Skigebietes in Oberperfuss ab.
Das übernimmt nun die Exekutive: „Selbstverständlich zeigen wir das an“, sagt Polizei-Pressesprecher Stefan Eder gegenüber der Tiroler Tageszeitung. Und zwar wegen des Verdachts auf „versuchte Körperverletzung. Der Fall geht an die Staatsanwaltschaft. Diese entscheidet dann, ob weiter ermittelt werden soll oder nicht.“
Von ähnlich heftigen und kritischen Situationen weiß Walter Höllwarth, Geschäftsführer der Glungezerbahn, zu berichten. „Manche sind einfach so unglaublich respektlos. Ich muss meinen Betriebsleiter bewundern, dass er bei den vielen Konfrontationen immer noch so ruhig bleibt.“ Es sei nur ein kleiner Prozentsatz aller Tourengeher, der sich danebenbenehme – der dafür aber gewaltig. „Einmal ist sogar einer mit dem Auto ein Stück weit auf der Skipiste gefahren, hat dort geparkt und ist losmarschiert. Da brauchst schon gute Nerven“, sagt Höllwarth. Er fordert nun gesetzliche Regelungen, um der Probleme Herr zu werden. Vor allem die Mitarbeiter der Bergbahnen müssten geschützt werden.
Von einem bedauerlichen Einzelfall spricht hingegen Michael Larcher, Bergsport-experte beim Alpenverein. Seit 2004 moderiere der Alpenverein einen Prozess, der zur Konfliktvermeidung beim Pisten-Tourengehen beigetragen habe. „Im Raum Innsbruck haben wir das gut gelöst, weil zum Beispiel jeden Abend ein anderes Skigebiet für Tourengeher geöffnet hat.“ Konflikte gebe es kaum bis keine, sagt Larcher. Er kritisiert die „große Empörung“, die durch soziale Netzwerke geschürt werde. Seitens der Politik brauche es Augenmaß. Von Schnellschüssen hält er nichts.
Dass Tourengeher künftig für das Benützen der Piste zur Kasse gebeten werden könnten, lehne der Alpenverein nicht kategorisch ab. „Wir forcieren ein Tourengeherticket nicht, haben aber Verständnis, dass ein Beitrag gefordert wird.“ Über eine Pistenbenützungsgebühr denken auch Sportlandesrat Josef Geisler und Seilbahnsprecher Franz Hörl nach. Hörl fordert zudem Sanktionen für Unbelehrbare. Eine Anzeige und eine Besitzstörungsklage schweben dem Seilbahnsprecher für Tourengeher, die sich nicht an Regeln halten, vor.
Ein Plan, dem auch Florian Raffl einiges abgewinnen kann. Der Betriebsleiter der Bergeralm-Bergbahn in Steinach am Brenner ist nachts selbst mit der Pistenraupe unterwegs, hat dabei einige prekäre Situationen erleben müssen. „Normalerweise muss jeder, der eins und eins zusammenzählen kann, verstehen, dass er gegen eine mehrere Tonnen schwere Maschine das Nachsehen hat. Leider ist dem nicht so“, weiß Raffl. Da Warnhinweise nichts bringen würden, seien Strafen für Unbelehrbare ein probates Mittel. „So wie in Salzburg. Dort können Skigebiete durchgreifen.“
Das bestätigt Franz Wieser, Pressesprecher des Landes Salzburg: Zusätzlich zu bewusstseinsbildenden Kampagnen und einem regional abgestimmten Angebot für Nacht-Skitourengeher sei es für Liftbetreiber möglich, „in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Exekutive ortspolizeiliche Verfügungen zu erlassen“. Einsichtslosen Wintersportlern drohe somit eine Anzeige, sagt Wieser. Die Regelung und ihre Konsequenzen wirkten auch vorbeugend: „Weil sie dem Tourengeher sehr deutlich zeigt, dass er auf der gesperrten Piste nichts verloren hat.“ (bfk, aheu, dd)
TT-Studiogespräch zu Skitouren-Boom