Wien

Polizeigewalt bei Klima-Demo: Patzelt beklagt mangelnde Fehlerkultur

Heinz Patzelt (2. v.l.) Amnesty übt große Kritik an der "mangelnden Fehlerkultur der Polizei".
© Amnesty International Österreich

„Wenn etwas passiert, dann wird getarnt, vertuscht, getäuscht und unter den Tisch gekehrt", klagt der Generalsekretär von Amnesty International Österreich.

Wien – Zum Polizeieinsatz bei der Klima-Demo am 31. Mai 2019 gibt es bereits drei Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Wien, dass Amtshandlungen der Polizei rechtswidrig waren. Folgen für die Beamten hatte das nicht - disziplinarrechtliche Konsequenzen wurden bisher keine gezogen. Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, beklagte am Mittwoch mangelnde Fehlerkultur bei der Exekutive.

Das bisher letzte Urteil in diesem Fall - ein Beamter hatte neun Mal einem von Polizisten bereits am Boden fixierten Aktivisten in die Nieren geschlagen - bezeichnete Patzelt im „Ö1-Mittagsjournal" als „richtungsweisend und vernichtend". Mit dieser „exzessiven Gewaltanwendung", für die es auch keine Notwendigkeit gab, wurde der Aktivist erniedrigt und seine Menschenwürde gröblich missachtet, entschied das Landesverwaltungsgericht über eine Maßnahmenbeschwerde des Aktivisten am 7. Jänner. Die Beamten hatten die Amtshandlung außerdem noch tatsachenwidrig dokumentiert und nur von zwei Schlägen gesprochen. Für Patzelt ist das ein klares Zeichen, dass es dringend unabhängige Aufklärung braucht.

Eigene Behörde als „riesengroßer Schritt in die richtige Richtung"

„Ein bissl weisungsfrei im Innenministerium wird nicht genügen", sagte er. Die Schaffung einer eigenen Behörde, die Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeibeamte aufklären soll, ist im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehen. Darin sieht Patzelt „einen riesengroßen Schritt in die richtige Richtung", sagte er der APA. Eine solche Behörde fordere er bereits seit knapp 15 Jahren. Gleichzeitig sieht der Experte aber die Gefahr, dass sich diese Stelle, „wenn sich die Wogen geglättet haben unter dem Begriffchen weisungsfrei wieder aus Bequemlichkeit oder Opportunität in irgendeine Sondereinheit im Innenministerium ansiedelt". „Das wäre mehr als nur eine verpasste Chance", bekräftigte Patzelt.

Dass aber genau dies eintreten könnte, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) im Pressefoyer nach der Regierungssitzung. Missbrauchsvorwürfe gegen Polizeibeamte sollen künftig von einer unabhängigen Beschwerdestelle im Innenministerium geprüft werden. Er habe den Generalsekretär angewiesen, ein entsprechendes Projekt aufzusetzen, erklärte der Innenminister.

Patzelt forderte im Gespräch mit der APA bei Polizeigewalt-Vorwürfen mit hinreichend Verdachtsmomenten in jedem Fall eine „gerichtlich unabhängige Klärung" und das nicht nur dann, wenn eine Verurteilung wahrscheinlich erscheint, „um ein sichtbares Signal der Transparenz zu setzten". Denn Polizisten seien während der Amtshandlung nicht wie normale Bürger zu behandeln, sondern als Organ des Staates. Und dieses Handeln „muss super transparent und kritisch durchleuchtet" werden.

„Wir haben keine Prügelpolizei"

Der Generalsekretär von Amnesty übte große Kritik an der „mangelnden Fehlerkultur der Polizei". Nach der Demo wurde ein Video veröffentlicht, auf dem zu sehen war, wie der Polizist auf den am Boden liegenden und von weiteren Beamten fixierten Aktivisten einprügelt. In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung hatte das Innenministerium behauptet, das Video sei manipuliert gewesen. Das entsprach nicht den Tatsachen. „Ohne Video wäre es nicht zu dem Urteil gekommen", konstatierte der Amnesty-Chef.

„Wir haben keine Prügelpolizei, viele Beamte arbeiten ordentlich. Aber wenn etwas passiert, dann wird getarnt, vertuscht, getäuscht und unter den Tisch gekehrt", kritisierte Patzelt. Dieses System müsse „durchbrochen werden". "Warum hat man sich nicht bereits nach der Veröffentlichung des Videos selbstkritisch hingesetzt und gesagt, da ist was schief gegangen, was können wir daraus lernen?" fragte der Menschenrechtsexperte.

Die Ursache in der mangelnden Fehlerkultur der Polizei sieht der Amnesty-Chef in der „panischen Angst, dass die Autorität der Polizei leiden könnte, wenn man zugibt, dass etwas auch schief gehen kann". Doch damit gehe wichtiges Lernpotenzial verloren. Schließlich gebe es gerade in diesem Bereich für eine lernende Einrichtung wie der Exekutive „viel Verbesserungspotenzial, ohne dass es Geld kostet", sagte Patzelt.

„Wir schauen uns die drei Urteile des Verwaltungsgericht sehr genau an und analysieren die vorgeworfenen Verfehlungen", sagte Christoph Pölzl, Sprecher des Innenministeriums. „Das wird dann natürlich entsprechend in die Ausbildung einfließen", betonte er. (APA)